Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Einstweilige Anordnung. Beschwerde. Rechtsschutzbefürfnis des Jobcenters. Ausführungsbescheid. Vorläufige Bewilligung. Vorbehalt. Auslegung. Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Rechtsschutzbedürfnis. kein schützenswertes Interesse an der Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts. Erlass eines Ausführungsbescheides ohne ausdrücklichen Vorbehalt in Bezug auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens
Leitsatz (amtlich)
Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde des Jobcenters, wenn der von ihm erlassene Umsetzungsbescheid in seinem Bestand nicht vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem LSG abhängig gemacht wird.
Normenkette
SGB III § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; SGB II § 40; SGG § 86b Abs. 2 S. 2; SGB X § 45
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 7. August 2012 wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Den von der Antragstellerin am 16. Januar 2012 gestellten Antrag auf Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II ab 1. März 2012 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2012 ab. Die hiergegen am 13. Juli 2012 erhobene Klage - S 9 AS 1301/12 - ist bei dem Sozialgericht Neubrandenburg anhängig.
Das erste in diesem Zusammenhang bei dem Sozialgericht Neubrandenburg geführte einstweilige Rechtsschutzverfahren - S 9 AS 931/12 - endete am 7. Juni 2012 mit gerichtlichem Vergleich. Der zweite von der Antragstellerin gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 4. Juli 2012 - S 11 AS 1208/12 - wurde von dem Sozialgericht mit Beschluss vom 6. Juli 2012 abgelehnt.
Auf den dritten (vorliegend streitgegenständlichen) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 13. Juli 2012 - S 9 AS 1380/12 ER WA - hat das Sozialgericht Neubrandenburg den Antragsgegner mit Beschluss vom 7. August 2012 verpflichtet, der Antragstellerin ab 1. März 2012 bis 31. August 2012 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 664 € vorläufig zu bewilligen.
Gegen den am 15. August 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 23. August 2012 Beschwerde erhoben.
Mit Bescheid vom 30. August 2012 hat der Antragsgegner der Antragstellerin Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. März 2012 bis 31. August 2012 in Höhe von monatlich 664 € gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläufig bewilligt. Als Grund für die vorläufige Bewilligung wird angegeben, dass eine Entscheidung in der Hauptsache vor dem Sozialgericht Neubrandenburg noch ausstehe. Die Antragstellerin erhalte erneut einen Bescheid, soweit über ihren Antrag endgültig entschieden werden könne und ihr Anspruch von den bewilligten Leistungen abweiche. Sofern sich keine Änderungen ergäben, erhalte die Antragstellerin nur dann einen erneuten Bescheid, wenn sie dies beantrage (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 2 SGB III). Dem Bescheid ist als Anlage der Gesetzestext von § 40 SGB II und § 328 SGB III beigefügt gewesen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, da das für die Zulässigkeit erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben ist.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist vom Gericht im jeweiligen Rechtszug von Amts wegen zu prüfen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 10. Aufl., vor § 51 SGG Rn. 20). Ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragsgegners für das Beschwerdeverfahren ist hier zu verneinen, weil die beantragte Entscheidung, nämlich die Aufhebung des sozialgerichtlichen Beschlusses, seine Rechtsstellung nicht verbessern könnte (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 51, Rn. 16a).
Dem Antragsgegner steht ein schützenswertes Interesse an der Aufhebung des sozialgerichtlichen Beschlusses nicht mehr zu. Mit dem Bescheid vom 30. August 2012 hat er keinen vorläufigen Ausführungsbescheid erlassen, der unter dem Vorbehalt steht, dass er nur gelten solle, wenn die dem Antragsgegner durch den angefochtenen Beschluss auferlegte Verpflichtung zur vorläufigen Leistungsbewilligung mit der Entscheidung über die hiergegen gerichtete Beschwerde in Rechtskraft erwächst. Denn der Bescheid enthält keinen derartigen Vorbehalt in Bezug auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens.
Der Bescheid vom 30. August 2012 könnte allenfalls von der Antragstellerin aus Sicht eines objektiven Empfängers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach § 133 BGB dahingehend verstanden werden, dass er unter dem Vorbehalt des Ausgangs des vor dem Sozialgericht Neubrandenburg noch anhängigen Hauptsacheverfahrens steht. Denn der Bescheid nennt allein als Grund für die vorläufige Bewilligung, dass eine Entscheidung in der Hauptsache vor dem Sozialgericht Neubrandenburg noch ausstehe.
Eine Verböserung zu Lasten der Antragstellerin, dass bereits bei erfolgreichem Obsiegen im Beschwerdeverfahren der Bescheid vom 30. August 2012 entfällt, wäre jedoch unzulässig, da der Bescheid eine entsprech...