Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. Anfall bei schriftlichem außergerichtlichem Vergleich. Zweifel an Berechtigung einer Gebühr. keine Rechtfertigung für Beschränkung auf bestimmte Fallkonstellationen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine fiktive Terminsgebühr nach VV 3106 (juris: RVG-VV) fällt auch bei einem schriftlichen sogenannten außergerichtlichen Vergleich an.

 

Orientierungssatz

Zweifel an der Berechtigung einer Gebühr (hier: fiktive Terminsgebühr) vermögen es nicht zu rechtfertigen, diese sodann auf eher praxisirrelevante Fallkonstellationen zu beschränken und gerade die Fallkonstellation, in der der gewünschte Effekt einer Gerichtsentlastung am größten ist, auszunehmen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Erinnerungsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Rostock vom 16. November 2016 aufgehoben.

Die Vergütung des Erinnerungsführers aus der Staatskasse wird auf 1.154,30 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungs- und jetzige Beschwerdeführer wurde im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss des 3. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Juni 2016 in dem Berufungsverfahren L 3 SB 57/14 dem Kläger K.-D. L. beigeordnet.

Streitgegenstand des Verfahrens war die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB). Das Sozialgericht (SG) Rostock hatte der Klage teilweise stattgegeben und der Kläger sein weitergehendes Begehren mit der Berufung weiterverfolgt. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen aus einem Rentenverfahren und der Einholung eines Befundberichtes hat der dortige Beklagte, das B., mit Schriftsatz vom 13. Juni 2016 ein Vergleichsangebot dahingehend abgegeben, dass beim Kläger ab Februar 2014 ein GdB von 50 festgestellt werde und für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten seien. Dieses Vergleichsangebot hat der Erinnerungsführer im Namen des Klägers mit Schriftsatz vom 8. Juli 2016 angenommen, wobei er abschließend um ausdrückliche Feststellung des Berufungsgerichts bezüglich des Zustandekommens des Vergleichs gebeten hat, wozu es aber dann in der Folge nicht gekommen ist.

Mit Kostennote vom 9. Juli 2016 machte der Erinnerungsführer seine Gebühren und Auslagen für das Berufungsverfahren beim SG Rostock geltend und beantragte, auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) den Erstattungsbetrag auf 1.154,30 Euro festzusetzen. Dieser Betrag ergab sich aus der Geltendmachung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 des Vergütungsverzeichnisses (VV) in Höhe von 370,00 Euro, einer Terminsgebühr nach VV 3205 in Höhe von 210,00 Euro (75 Prozent der mittleren Terminsgebühr) sowie einer Einigungsgebühr nach VV 1005, 1006 in Höhe von 370,00 Euro zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale sowie Mehrwertsteuer.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG Rostock setzte die Kosten mit Festsetzungsbeschluss vom 19. August 2016 auf insgesamt 904,40 Euro fest, wobei die Abweichung vom Antrag hierbei auf der Nichtberücksichtigung der Terminsgebühr nebst hierauf entfallender Mehrwertsteuer beruhte und im Übrigen antragsgemäße Festsetzung erfolgte. Die Geltendmachung von Verfahrens- und Einigungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr sei billig und daher gemäß Antrag festzusetzen gewesen. Die Terminsgebühr hingegen sei nicht entstanden. Eine mündliche Verhandlung habe im Berufungsverfahren nicht stattgefunden, vielmehr sei das Verfahren durch außergerichtlichen Vergleich beendet worden.

Unter einem schriftlichen Vergleich im Sinne von VV 3205 sei nur ein unter Mitwirkung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 101 Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 Zivilprozessordung (ZPO) zu verstehen. Ein solcher Vergleich sei hier nicht abgeschlossen, der außergerichtliche Vergleich werde bereits mit der Einigungsgebühr honoriert.

Mit der hiergegen eingelegten Erinnerung wurde vorgetragen, es handele sich keineswegs um einen außergerichtlichen Vergleich, vielmehr sei der Vergleichsabschluss über das Gericht erfolgt. Außerdem sei ausdrücklich um Feststellung des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO gebeten worden, was gegebenenfalls vom Berufungsgericht noch nachzuholen sei.

Der Erinnerungsgegner hat hierzu vorgetragen, dass er die Festsetzung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle für zutreffend halte. Nach der wohl überwiegenden Rechtsprechung der Landessozialgerichte anderer Bundesländer sei davon auszugehen, dass nur Vergleiche nach § 101 SGG und § 278 Abs. 6 ZPO eine fiktive Terminsgebühr auslösen würden.

Das SG Rostock hat die Erinnerung mit Beschluss vom 16. November 2016 zurückgewiesen und sich zur Begründung der Auffassung des Erinnerungsgegners angeschlossen.

Gegen diesen ihm am 23. November 2016 zugestellten Beschluss hat der Erinnerungsführer am 7. Dezember 2016 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung bezieht er sich auf sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass das Entstehen einer fiktiven Terminsgebühr nicht von Zufälligkeiten abhä...

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