Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Diabetes mellitus. rückwirkende Bewilligung Prozesskostenhilfe. Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage. Antizipiertes Sachverständigengutachten
Leitsatz (amtlich)
1. In den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 sieht der Senat ein antizipiertes Sachverständigengutachten. Diese aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins beinhalten den heutigen Stand der medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse. Daher können diese Empfehlungen auch auf in der Vergangenheit liegende Zeiträume angewandt werden.
2. Zur rückwirkenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
3. Zur Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage: hinreichender Grund für die Untätigkeit (hier: zahlreiche von einem Antragsteller betriebene Verfahren).
Normenkette
SGB II § 21 Abs. 5; SGG § 73a Abs. 1, § 88
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 02. September 2008, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Durch Bescheid vom 15. April 2008 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers nach § 44 SGB X ab, die Bewilligungszeiträume für Leistungen nach dem SGB II vom 01. Januar 2005 bis zum 30. November 2007 zu ändern.
Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 19. April 2008, bei der Beklagten eingegangen am 23. April 2008, machte der Kläger u.a. geltend, ihm sei zu Unrecht ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändigerer Ernährung bei Diabetes mellitus (Typ I) nicht mehr gewährt worden. Die Kosten der Unterkunft seien insoweit unzutreffend berechnet worden, als die Beklagte einen Abschlag für die Bereitung von Warmwasser in Höhe von 18 v.H. zugrunde gelegt habe.
Am 28. Juli 2008 erließ die Beklagte acht Änderungsbescheide. In diesen Bescheiden regelte die Beklagte die dem Kläger zustehenden Ansprüche nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2008 neu. Insbesondere wurde dem Begehren des Klägers hinsichtlich der Warmwasserkosten abgeholfen. Die Beklagte übersandte die Bescheide mit Schreiben - laut Abvermerk - gleichfalls von Montag, den 28. Juli 2008, an den Prozessbevollmächtigten des Klägers.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben von Samstag, den 02. August 2008, bei Gericht eingegangen am 05.August 2008 Untätigkeitsklage erhoben.
Durch Widerspruchsbescheid vom 21. August 2008 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers hinsichtlich des noch streitigen Mehrbedarfes zurückgewiesen.
Durch Erklärung vom 29. August 2008 hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Gegen die Kostengrundentscheidung des Sozialgerichtes vom 02. September 2008, wonach die Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat, hat der Kläger erfolglos Gegenvorstellung eingelegt.
Durch Beschluss gleichfalls vom 02. September 2008 hat das Sozialgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Das Sozialgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Rechtsverfolgung sei mutwillig. Eine Sachstandsanfrage habe der Kläger nicht bei der Beklagten gestellt. Zudem hätten die Änderungsbescheide vom 28. Juli 2008 nach dem zeitlichen Verlauf dem Kläger vor Klageerhebung zugegangen sein müssen.
Mit seiner am 22. September 2008 erhobenen Beschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter. Er ist der Auffassung, dass die von ihm erhobene Untätigkeitsklage nicht mutwillig rechtshängig gemacht worden sei.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Gemäß § 114 S. l ZPO in Verbindung mit § 73a Abs. l S. l SGG ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1. Der Senat kann es im vorliegenden Fall offen lassen, ob innerhalb der Dreimonatsfrist des § 88 SGG die Beklagte überhaupt untätig geblieben ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Untätigkeitsklage ist nämlich, dass ein Kläger sachlich nicht beschieden worden ist. Die Beklagte hat durch ihre Änderungsbescheide vom 28. Juli 2008 den Kläger beschieden, indem sie - auch erneut über den im vorliegenden Verfahren streitigen Mehrbedarf - mit entschieden hat.
Die Änderungsbescheide vom 28. Juli 2008 dürften dem Prozessbevollmächtigten des Klägers spätestens am Donnerstag, den 31. Juli 2008 zugegangen sein (Ablauf der Dreitagesfrist - § 37 Abs. 2 SGB X). Insbesondere hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht, auch nicht im Beschwerdeverfahren, geltend gemacht, dass ihn die Änderungsbescheide erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sind. Die Untätigkeitsklage ist erst am Samstag, den 02. August 2008 verf...