Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Deutschen Vereins
Orientierungssatz
1. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe enthalten hinsichtlich der Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung Erfahrungssätze für die dort typisierten Regelfälle. Handelt es sich um einen solchen, so sind im Rahmen der Amtsermittlung keine weiteren Feststellungen zu treffen.
2. Wird jedoch substantiiert vorgetragen, dass im Einzelfall kein typischer Regelfall vorliegt, so sind im Rahmen der Amtsermittlung Feststellungen zu den medizinischen Gründen der kostenaufwändigen Ernährung und zum Kausalzusammenhang zu treffen.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 27.11.2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klage des Klägers vom 26.06.2009 auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen der Erkrankungen Diabetes mellitus Typ II, Fettstoffwechselstörung, Arterieller Hypertonus, chronischer Alkoholkonsum, chronische Virushepatitis C, bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dies folgt aus den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (Dritte Auflage, Stand Oktober 2008; www.deutscher-verein.de/05-empfehlungen/empfehlungen08), die nach den Gesetzesmaterialien (BT-Dr. 15/1516, 57) hinsichtlich der Art der Erkrankung und der Höhe der Krankenkostzulage herangezogen werden sollen. Unabhängig von der in der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/11b AS 3/07 R; LSG NRW, Urteil vom 22.07.2007 - L 19 AS 41/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.02.2009 - L 9 B 339/08 AS; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.12.2008 - L 8 B 386/08 AS) noch ungeklärten Frage der Rechtsqualität dieser Empfehlungen, etwa als antizipiertes Sachverständigengutachten, enthalten diese jedenfalls Erfahrungsätze für die dort typisierten Regelfälle. Handelt es sich um einen dort typisierten Regelfall, sind im Rahmen der Amtsermittlung keine weiteren Feststellungen zu treffen. Wird jedoch substantiiert vorgetragen, dass im Einzelfall kein typisierter Regelfall vorliegt, sind im Rahmen der Amtsermittlung Feststellungen zu den medizinischen Gründen der kostenaufwendigeren Ernährung und zum Kausalzusammenhang zu treffen.
Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beim Kläger und den Empfehlungen sind keine weiteren Ermittlungen angezeigt. Denn nach den Empfehlungen ist bei Erwachsenen kein ernährungsbedingter Mehrbedarf, sondern regelmäßig eine "Vollkost" bei den Erkrankungen Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung und Bluthochdruck angezeigt. Ein ernährungsbedingter Mehrbedarf hingegen kommt regelmäßig nur noch bei verzehrenden Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen wie z.B. fortgeschrittenem Krebsleiden, HIV/AIDS, Multipler Sklerose und schweren Verläufen entzündlicher Darmerkrankungen in Betracht. Gesichtspunkte dafür, dass beim Kläger kein typisierter Regelfall oder eine verzehrende Erkrankung vorliegt, ergeben sich aus dem Bericht des behandelnden Arztes Dr. H nicht. Auch die vom behandelnden Internisten aufgezeigte Notwendigkeit des Klägers, den Speiseplan möglichst vielfältig zu gestalten und demzufolge mehr Geld für den Einkauf dieser Lebensmittel aufzuwenden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn damit wird der Normalfall beschrieben, dass eben jeder Mensch sich abwechslungsreich und ausgewogen ernähren soll(te) und eben gerade keine allein beim Kläger wegen der Erkrankungen bestehende Konstellation.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Vortrag des Klägers im Beschwerdeverfahren, das SG habe im Beschluss "den Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht verkannt", nicht zutrifft. Denn das SG hat eben gerade nicht, wie der Kläger meint, "eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Obsiegens" als notwendig für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe angesehen, sondern als Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt, "ob die Chance, den Prozess zu gewinnen, mindestens genauso groß ist, wie ihn zu verlieren".
Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Fundstellen