Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Auslegung eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Asylbewerberleistung. Grundleistung. Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung wegen Änderung der Verhältnisse. Anspruchseinschränkung. Einreise zum Zweck des Leistungsbezuges
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung von Anfechtungs- und Vornahmesachen in Eilverfahren gegen eine Anspruchseinschränkung gemäß § 1a AsylbLG.
Orientierungssatz
1. Der Senat nimmt von seiner früheren, im Ergebnis das Erfordernis einer Aufhebungsentscheidung bei der Einschränkung des Anspruchs auf Asylbewerberleistungen verneinenden Rechtsprechung (LSG Neustrelitz vom 19.8.2009 - L 9 B 371/08) ausdrücklich Abstand.
2. Der bloße Zusammenhang zwischen der Einreiseabsicht und dem Leistungsbezug reicht für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs 1 AsylbLG nicht aus; vielmehr ist ein finaler Zusammenhang zu fordern.
3. Anspruchseinschränkungen sind nach § 14 Abs 1 AsylbLG auf sechs Monate zu befristen. Erfolgt eine solche Befristung nicht, ist der Bescheid über die Anspruchseinschränkung rechtswidrig.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 7. März 2018 abgeändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2017 und der Klage wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller dessen notwendige außergerichtliche Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. B., A-Stadt, bewilligt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die vorläufige Gewährung von höheren Asylbewerberleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der 1972 geborene, aus G. stammende Antragsteller reiste nach eigenen Angaben über Libyen auf dem Seeweg nach I. ein. Während der Überfahrt sei ihm Geld gestohlen worden, sein Pass sei ihm abgenommen worden. Über I. gelangte der Antragsteller nach eigenen Angaben im Herbst 2015 in die Bundesrepublik Deutschland. Er leidet an beiden Augen an einem Glaukom. Auf dem rechten Auge ist er erblindet, auf dem linken besteht nur noch eine geringe Sehfähigkeit. In der Zeit vom 02. bis 05. Dezember 2015 unterzog sich der Antragsteller in H. einer augenärztlichen Operation. Eine weitere für März 2016 vorgesehene Augenoperation konnte nach Angaben des Antragstellers wegen fehlender Aufenthaltsdokumente nicht durchgeführt werden. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. April 2016 beantragte der Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG. Am 02. Mai 2016 suchte der Antragsteller erstmals die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung in H. auf. Laut Anhörungsprotokoll vom 19. Mai 2016 gab der Antragsteller an, wegen seiner Augenprobleme habe ihm ein Mitreisender auf dem Schiff geraten, nach Deutschland zu gehen, um dort seine Augen behandeln zu lassen, weil dort die medizinische Versorgung sehr gut sei. Deshalb habe er sich nach Deutschland begeben. Bei der Einreise habe er kein Geld und keinen Pass gehabt. In seiner Heimat habe er keine Arbeit gehabt und keine Möglichkeit, seine Kinder zu ernähren. Er sei nach Europa gegangen, um seinen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Nach seiner Ankunft in Deutschland habe er sich Geld erbettelt. Einige Leute hätten ihn bei sich zu Hause oder im Keller für einige Tage übernachten lassen.
Am 20. Mai 2016 wurde dem Antragsteller gemäß § 15a AufenthG eine Bescheinigung über die Meldung als unerlaubt eingereister Ausländer ausgestellt. Er ist im Besitz einer Duldung gemäß § 60a AufenthG.
Auf Grund seiner Zuweisung nach Mecklenburg-Vorpommern wohnt der Antragsteller seit dem 21. Februar 2017 in einer Gemeinschaftsunterkunft in A-Stadt. Auf Antrag des Antragstellers wurden diesem von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 17. Februar 2017 Leistungen gemäß § 3 AsylbLG gewährt, für den Monat März 2017 in Höhe von 320,14 €. Mit Bescheid vom 28. Juni 2017 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für Juli 2017 gemäß § 3 AsylbLG Leistungen in Höhe von 317,14 € unter Hinweis darauf, dass diese geringeren Leistungen dem Antragsteller bereits ab dem 01. Januar 2017 hätten bewilligt werden müssen, wegen Vertrauensschutzes die Änderung erst ab dem 01. Juli 2017 eintrete.
Wegen eines möglichen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG holte die Antragsgegnerin die Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 14. März 2017 ein, in der es zusammengefasst hieß, ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege nur dann vor, wenn der Ausländer (Antragsteller) noch eine weitere drucksenkende Augenoperation benötige. Im Übrigen lägen keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor.
Mit Bescheid vom 3. Juli 2017 wurde de...