Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Ermöglichung des Umzugs. Erteilung der Umzugskostenzusicherung nur bei Vorliegen der strengen Voraussetzungen für eine gebotene Vorwegnahme der Hauptsache. Erledigung der Umzugskostenzusicherung durch tatsächlichen Bezug der Wohnung. Alter als hinreichender Grund für Auszug aus der elterlichen Wohnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Umzugskostenzusicherung nach § 22 Abs 2 SGB 2 kann schon begrifflich nicht vorläufig erteilt werden; daher kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Verpflichtung des Leistungsträgers zur Erteilung einer solchen Zusicherung nur dann erfolgen, wenn die strengen Voraussetzungen für eine gebotene Vorwegnahme der Hauptsache vorliegen.

2. Ein Rechtsschutzverfahren auf Erteilung einer Umzugszusicherung erledigt sich spätestens mit dem tatsächlichen Bezug der Wohnung; die Gewährung der Unterkunftskosten ist nicht Gegenstand eines solchen Verfahrens.

3. Bei mindestens 25jährigen Leistungsbeziehern ist allein das Alter in der Regel hinreichender Grund iS des § 22 Abs 2 SGB 2, um aus der Wohnung der Eltern auszuziehen.

 

Orientierungssatz

1. Das Bedürfnis für einen einstweiligen Rechtsschutz ist in Fällen anzuerkennen, in denen der Umzug durch die Zusicherung erst ermöglicht wird, aber nicht in Fällen, in denen es eigentlich nur um die volle Wohnkostentragung iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 geht.

2. Eine gebundene Zusicherung ist ohne Interessenabwägung zu erteilen, wenn kein Ermessen gegeben ist und Erforderlichkeit iS des § 22 Abs 2 S 2 SGB 2 vorliegt.

3. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Altersgrenze (25 Jahre) nicht nur negativ geregelt, dass unter 25-Jährige besondere Gründe für den Auszug aus dem elterlichen Haus benötigen, vielmehr hat er hiermit auch gesetzgeberisch klargestellt, dass iS des SGB 2 das Erreichen dieser Altersgrenze den Zeitpunkt markiert, ab dem ohne besondere zusätzliche Gründe der Weg in die Selbstständigkeit von den Eltern und der Auszug aus dem Elternhaushalt gestattet ist.

4. Zum Nichtvorliegen der zur Vorwegnahme der Hauptsache notwendigen Eilbedürftigkeit der Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs 2 SGB 2.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Rostock vom 21. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen einer neue Unterkunft gemäß § 22 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II); außerdem begehrt er ebenfalls im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen für die Erstausstattung der fraglichen Wohnung gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II.

Der 1979 geborene Antragsteller bewohnt (oder bewohnte) gemeinsam mit seinen Eltern eine Drei-Zimmer-Wohnung mit knapp 60 m² Wohnungsgröße in G.. Seit Januar 2005 bezieht er durchgehend Grundsicherungsleistungen vom Antragsgegner, wobei aufgrund seiner Angabe, er habe freies Wohnrecht bei seinen Eltern, lediglich die Regelleistung erbracht wurde und keine (anteiligen) Kosten der Unterkunft (KdU). Laut derzeit aktuellem Leistungsbescheid vom 29. Februar 2008 wurden ihm insoweit für die Monate März bis August 2008 326,46 Euro gewährt, wobei der Abzug vom Regelsatz auf einer Anrechnung von Einkommen seiner Mutter auf der Grundlage des § 9 Abs. 5 SGB II (Vermutung von Unterhaltsleistungen) beruhte.

Die Großmutter des Antragstellers hat eine 47 m² große Wohnung als Mitglied der Wohnungsbaugenossenschaft Nord e.G. in der L.straße 23, 1. Obergeschoss rechts, in G. angemietet, die sie bis Ende Oktober 2007 auch bewohnte; seit November 2007 ist sie in ein Pflegeheim gezogen. Am 29. Oktober 2007 wurde diese Wohnung dem Antragsteller zu einer Bruttomiete von 290,18 Euro angeboten, woraufhin er beim Antragsgegner am 30. Oktober 2007 die Zusicherung für die Aufwendungen dieser neuen Unterkunft gemäß § 22 Abs. 2 SGB II beantragte und zur Begründung seines beabsichtigten Auszuges aus der elterlichen Wohnung vortrug, es bestehe eine angespannte familiäre Situation; seine Mutter arbeite als Altenpflegerin im Dreischichtsystem. Außerdem sei ihm eine eigenständige Lebens- und Haushaltsführung in seinem Alter sehr wichtig. Die Wohnung seiner Eltern habe eine Größe von 59 m², sein eigenes Zimmer eine Größe von ca. 12 m². Es stünden für den Bezug der Wohnung teilweise eigene Möbel zur Verfügung, so dass der Antrag auf Erstausstattung einer Wohnung beschränkt werden könne. Es fielen auch keine Umzugskosten an.

Der Antragsgegner lehnte die Zustimmung zu den Aufwendungen der neuen Wohnung mit Bescheid vom 06. November 2007 ab. Zur Begründung hieß es, dass bei Betrachtung des Einzelfalles die Erforderlichkeit für einen Auszug nicht gegeben sei. Außerdem lägen die Kosten der Unterkunft laut...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge