Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Bestattungskosten. Verpflichteter. Unzumutbarkeit der Kostentragung

 

Leitsatz (amtlich)

Definition des Verpflichteten iS des§ 74 SGB XII und Kriterien der Zumutbarkeit

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. April 2019 sowie der Bescheid vom 6. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Bestattungskosten für ihren verstorbenen Vater Thomas A. zu zahlen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Übernahme von Bestattungskosten.

Die Klägerin ist am XX. X 19XX geboren. Ihr Vater, wohnhaft in D-Stadt, verstarb am 10. Februar 20XX in D-Stadt und unter dem 18. März 2006 schlug sie das Erbe aus.

Mit Kostenbescheid vom 18. Mai 2006 iHv. 1.378,06 € forderte die Beklagte (als Ordnungsbehörde) von der Klägerin die Übernahme der Kosten für die Einäscherung ihres am 10. Februar 20XX verstorbenen Vaters und die Senkung seiner Urne aus einer von ihr veranlassten Ersatzvornahme. Hiergegen wurde Widerspruch eingelegt und bei der Beklagten (Sozialamt) ein Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten gestellt. Die Beklagte (Sozialamt) forderte die Klägerin auf, zunächst bei der Beklagten (Ordnungsamt) einen Erlassantrag hinsichtlich der Kosten der Ersatzvornahme zu stellen. Der Erlassantrag wurde am 24. Juli 2006 gestellt, mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 abgelehnt und der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2007 zurückgewiesen. Mit Urteil des Verwaltungsgerichtes Dresden vom 25. Januar 2010 wurde der (ablehnende) Erlassbescheid vom 18. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2007 aufgehoben.

Der Betrag von 1.378,06 € aus dem Kostenbescheid der Beklagten (Ordnungsamt) ist von der Mutter der Klägerin unter Vorbehalt zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung am 16. August 2010 gezahlt worden.

Im September 2010 führte der Beklagte intern aus, dass ein laufendes Verwaltungsverfahren hinsichtlich eines sozialrechtlichen Verfahrens bzgl. der Bestattungskosten nicht festgestellt werden könne. Mit Schreiben vom 17. September 2010 wurde der Klägerin ein   Formantrag übersandt nebst Aufforderung zur Angabe der damaligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

Mit Posteingang vom 13. Oktober 2010 reichte die Klägerin diesen Formantrag ein. In diesem gab sie an, dass sie damalig an einem Studium für die Laufbahn des gehobenen Justizdienstes teilnahm, für welches Heimfahrkosten mit der Bahn anfielen, da eine Unterbringung am Wochenende nicht möglich gewesen sei. Für die Bahncard seien monatlich 300,00 € aufgebracht worden. Sie erhielt eine monatliche Besoldung von 746,60 € und musste monatliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 56,84 € aufbringen. Teile der von ihr beigereichten Kontoauszüge waren geschwärzt.

Aus der erstmalig eingereichten Erbausschlagung ist ersichtlich, dass eine Schwester der Klägerin, C., geboren am XX. X 19XX, das Erbe ebenso ausschlug.

Aus dem Formantrag ergibt sich, dass der verstorbene Vater etwaig von seiner Mutter oder drei Geschwistern beerbt worden sein könnte.

Mit Schreiben vom 24. November 2010 führte das AG D-Stadt aus, dass nur die Schwestern C. und das Erbe ausgeschlagen haben und der Erblasser noch 3 Geschwister und seine Mutter hinterlassen haben soll.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach der Erbausschlagung nur die weiteren Erben einen Leistungsanspruch geltend machen könnten. Ob diese ebenso das Erbe ausgeschlagen hätten oder bedürftig seien, sei der Beklagten unbekannt. Der Gebührenbescheid sei in Anwendung des § 10 Abs. 1 SächsBestG ergangen und an die Klägerin als älteste Tochter gerichtet. Die Klägerin habe sich daher an die Erben zu wenden und soweit diese ausgeschlagen haben sollten, könnte ein Kostenerstattungsanspruch bestehen. Die Schwester habe keinen Antrag gestellt und auf Grund der geschwärzten Kontoauszüge könne die Bedürftigkeit der Klägerin nicht geprüft werden und der Antrag wäre wegen Unaufklärbarkeit abzulehnen. Nach§ 2 SGB XII wäre der Antrag ebenso abzulehnen.

Hiergegen wurde mit Schreiben vom 10. Januar 2011 Widerspruch erhoben und ausgeführt, dass der Verweis auf etwaige Ausgleichsansprüche gegen Dritte unzulässig sei. Ein zivilrechtlicher Anspruch zur Tragung der Bestattungskosten gegenüber der Klägerin bestehe nicht, da der Vater weder seinen Unterhaltsverpflichtungen noch seinen Fürsorgeverpflichtungen nachgekommen sei.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2011 wurden ungeschwärzte Kontoauszüge beigereicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Beklagte stellte auf die Erbausschlagung ab und daher seien die verbliebenen Erben, die Mutter und die Geschwister des Verstorbenen, Verpflichteter iSd.§ 74 S...

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