Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkursausfallgeld. Insolvenzereignis. offensichtliche Masselosigkeit. Zahlungsunfähigkeit. Zahlungsunwilligkeit
Orientierungssatz
1. § 141b Abs 3 Nr 2 ist ein Auffangtatbestand für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer wegen der behaupteten und nicht leicht zu widerlegenden Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers keinen Lohn erhalten hat. "Offensichtlich" meint hier nicht zweifelsfrei und erlaubt daher nicht, bei Betriebsbeendigung und Zahlungseinstellung diesen Insolvenztatbestand zu verneinen, weil keine Tatsachen vorliegen, die den zwingenden Schluss zulassen, dass ein Konkursverfahren mangels Masse nicht in Betracht kommt. Es genügt vielmehr der aus äußeren Tatsachen ergebende Eindruck eines unvoreingenommenen Betrachters, dh wenn alle äußeren Tatsachen (und insofern der Anschein) für Masseunzulänglichkeit sprechen (vgl BSG vom 4.3.1999 - B 11/10 3/98 R = USK 9908).
2. Aus bloßer Zahlungsunwilligkeit kann jedoch nicht auf Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden (vgl BSG vom 22.9.1993 - 10 RAr 9/91 = SozR 3-4100 § 141b Nr 7).
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X ein Anspruch auf Konkursausfallgeld (KAUG) für die Monate Oktober und November 1994.
Die 1952 geborene Klägerin war ab Januar 1993 bei der Firma L GmbH zuletzt in der Verkaufsfiliale in L beschäftigt. Ausweislich des Handelsregisterauszuges war Gegenstand dieser GmbH der Handel mit Waren aller Art, soweit nicht erlaubnispflichtig. Die Gesellschaft war im November 1992 errichtet und am 02. April 1993 in das Handelsregister eingetragen worden. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer war zunächst H L. Am 14. Juli 1994 wurde die Sitzverlegung von G nach L beschlossen. Gleichzeitig wurde Herr L als Geschäftsführer abberufen und Herr B F zum neuen Geschäftsführer bestellt. Mit notariellen Vertrag vom 28. Oktober 1994 verkaufte die L GmbH unter gleichzeitigem Abtritt sämtlicher Geschäftsanteile die LH GmbH an Herrn M F. Gleichzeitig wurde Herr B F als Geschäftsführer abberufen und Herr M F zum neuen Geschäftsführer bestellt. Darüber hinaus wurde eine erneute Sitzverlegung der Gesellschaft nach G vereinbart. Die Eintragung dieser Änderungen ins Handelsregister wurde zunächst 1995 abgelehnt. 1997 wurde im Handelsregister der Wechsel in der Geschäftsführung eingetragen, nicht jedoch die Sitzverlegung. Schließlich fand ein weiterer Wechsel in der Geschäftsführung statt, wonach nunmehr Herr K S zum Geschäftsführer bestellt wurde. Auch diese Eintragung erfolgte im Handelsregister erst unter dem 11. April 1997. Schließlich wurde die Gesellschaft unter dem 26. August 1998 gem. § 2 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 09.10.1934 von Amts wegen gelöscht.
Gesellschafter der LH GmbH war bis zum 28. Oktober 1994 die L GmbH, die durch Umwandlung des A L als deren Rechtsnachfolger errichtet worden war, und deren alleiniger Geschäftsführer Herr H L war. Gegenstand dieses Unternehmens war ab November 1992 der Einzel- und Großhandel mit Gegenständen aller Art, Durchführung von Güternahverkehr und Güterfernverkehr, Erbringung von Dienstleistungen aller Art.
Mit Schreiben vom 10.10.1994 kündigte die "LH -" durch den Geschäftsführer F das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich fristgerecht zum nächst zulässigen Kündigungstermin, dem 30.11.1994. Nach der unwiderlegten Einlassung der Klägerin hat sie dieses Kündigungsschreiben am 25. Oktober 1994 erhalten. Am 02.11.1994 wurde ihr durch den Geschäftsführer F mitgeteilt, dass die GmbH verkauft worden sei und sie ab Montag, dem 07.11.1994 arbeitslos sei.
Nachdem sich die Klägerin bereits am 07. November 1994 arbeitslos gemeldet und die Zahlung von Alg beantragt hatte, beantragte sie am 21. November 1994 darüber hinaus Konkursausfallgeld und gab hierbei an, für den Monat Oktober und November 1994 noch Nettoarbeitsentgeltansprüche in Höhe von jeweils 1.485,47 DM gegen die LH GmbH zu haben. Der Tag der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit sei der 04. November 1994 gewesen. Dies sei zugleich ihr letzter Arbeitstag gewesen.
Unabhängig hiervon erhob die Klägerin im Dezember 1994 vor dem Arbeitsgericht Lohnklage sowie Kündigungsschutzklage. Diese Verfahren endeten letztlich mit Versäumnisurteilen zu Gunsten der Klägerin, die sich jedoch als nicht vollstreckbar erwiesen.
Nachdem insgesamt 10 Arbeitnehmer Anträge auf Kaug bei der Beklagten gestellt hatten, ermittelte die Beklagte u. a., dass für die LH GmbH ein Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens nicht gestellt worden war. Durch die Klägerin selbst wurden u. a. zwei Schreiben des früheren Geschäftsführers F vom 20. Dezember 1994 an den seinerzeit Prozessbevollmächtigten DGB sowie vom 25. Januar 1995 an das Arbeitsgericht Rostock zur Akte gereicht, in denen der zwischenzeitlich in England wohnhafte Herr F sinngemäß mitteilte, dass er die Firma LH bereits weiter veräußert habe und damit in die Geschäftstätigkeit dieser Firma nicht eingr...