Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfluss einer psychischen Erkrankung auf das Leistungsvermögen des Versicherten

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Leistungsvermögen von zumindest sechs Stunden für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten besteht keine rentenrelevante Einschränkung bei geltend gemachter Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Diagnose einer psychischen Erkrankung begründet für sich allein keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Maßgeblich sind vielmehr die Auswirkungen einer solchen Erkrankung auf die Zumutbarkeit einer beruflichen Tätigkeit.

2. Das Fehlen einer Ausbildung als Facharbeiter und die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit als angelernter Arbeiter führen angesichts eines fehlenden Berufsschutzes des Versicherten zu dessen Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine Pflicht des Versicherungsträgers zur Benennung einer konkreten beruflichen Tätigkeit besteht nicht.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 27. Januar 2011 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die am 1954 geborene Klägerin absolvierte nach ihrem Schulbesuch (Abschluss 8. Klasse) von September 1969 bis Juni 1971 eine Ausbildung als Wirtschaftsgehilfin im Teilgebiet des Ausbildungsberufes Wirtschaftspflege (Ausbildungsbetrieb Bezirkskrankenhaus B-Stadt). Hieran anschließend war die Klägerin dann ab 1971 bis 1973 bzw. von 1976 bis 1985 als Küchengehilfin bzw. Küchenarbeiterin und hieran anschließend von Januar 1986 bis September 2004 als Herdhilfe bzw. Köchin, zunächst beim Rat der Stadt und ab 1993 im Rahmen einer Kantinenwirtschaft tätig. Ein erstmals im September 2002 bei der Beklagten gestellter Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos. Am 20. Februar 2005 beantragte sie erneut bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie leide an einer Depression, Migräne, ausstrahlenden Schmerzen von der Wirbelsäule sowie an einem Defekt des linken Kniegelenkes (Schleimbeutel). Die Beklagte lies daraufhin vom Facharzt für Chirurgie Dr. S. ein Gutachten erstellen. Dieser Arzt stellte bei der Klägerin folgende Diagnosen:

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Funktions- und Belastungseinschränkungen der Lendenwirbelsäule durch altersphysiologische degenerative Veränderungen, Bandscheibenschäden und schwerpunktmäßig Bandscheibenvorfall im Segment L 3/4 linksbetont, mit wechselnd ausgeprägter Nebenwurzelirritation

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Funktions- und Belastungseinschränkungen des rechten Armes zu Lasten einer persistierenden Schultergürtelschmerzproblematik durch Sehnenansatzstörung mit subacromialem Schmerzsyndrom/Impingement-Syndrom rechts

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mäßiges alimentäres Übergewicht, BMI 28,5 kg/m² KOF

Auf chirurgischem Fachgebiet sei das Leistungsvermögen der nach Gewichtszunahme von 10 kg jetzt mäßig bis knapp deutlich übergewichtigen Klägerin eingeschränkt und im Wesentlichen gleichbleibend im Hinblick auf eine Vorbegutachtung aus Mai 2003. Inzwischen habe die Funktions- und Belastungseinschränkung der Lendenwirbelsäule Priorität. Es bestehe noch ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten über sechs Stunden mit weiteren qualitativen Funktionseinschränkungen wie etwa dem Ausschluss von häufigen Zwangskörperhaltungen, Bücken und Wiederaufrichten sowie der Ausschluss von Überkopfarbeiten und Tätigkeiten mit dauerhafter Vibrationsbeeinflussung (Gutachten vom 2. August 2005).

Der ebenfalls mit einer Begutachtung beauftragte Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie H. vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten führte in seinem Gutachten - ebenfalls vom 2. August 2005 - aus, dass bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen vorliegen:

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Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, Erschöpfungsgefühle, Zukunftsbesorgnis

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selbstunsichere, abhängige und vermeidende Persönlichkeit

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migränoider Kopfschmerz

Die Klägerin berichte vorrangig über eine Arbeitsplatzsituation, bei der es auf Grund einer Arbeitskräftereduktion im Betrieb und eines Vorgesetzten-Wechsels offensichtlich zu einer Überforderung der Klägerin gekommen sei. Die Symptomatik sei als Anpassungsstörung zu diagnostizieren, eine ähnliche depressive Reaktion habe es bereits zu einem Zeitpunkt gegeben, als etwa die Klägerin zu einer Reha-Behandlung im Jahr 2003 gewesen sei. Daneben äußere die Klägerin auch eine Zukunftsbesorgnis und sehe ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt negativ. Ihr Leistungsvermögen sei jedoch nicht an der Arbeitsplatzsituation zu messen. Sie sei leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten.

Dr. S. gelangte schließlich in seiner epikritischen Zusammenfassung unter Berücksichtigung des Gutachtens von Herrn...

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