Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. mehrfache Berufungseinlegung. mehrere Prozessbevollmächtigte. Berufungsrücknahmeerklärung. Rechtswirkung für das gesamte Prozessrechtsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Die von einem Bevollmächtigten erklärte Berufungsrücknahme erfasst das gesamte Prozessrechtsverhältnis, auch wenn von einem anderen Bevollmächtigten ebenfalls Berufung eingelegt wurde (Anschluss an BSG vom 18.11.1997 - 2 RU 45/96 = SozR 3-1500 § 156 Nr 1).
Nachgehend
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 17. Oktober 2016 durch Rücknahme der Berufung erledigt ist.
2. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Berufung durch Rücknahme des Rechtsmittels erledigt ist.
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und wurde diesbezüglich in erster Instanz durch Rechtsanwältin K. aus der Kanzlei „h. rechtsanwälte fachanwälte“ vertreten. Die abgereichte Vollmacht gilt ausdrücklich für alle Instanzen.
Nach Abweisung der Klage mit Urteil vom 17. Oktober 2016 hat der Kläger - nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt H. aus der „B.“ - am 11. November 2016 Berufung eingelegt. Am 1. Dezember 2016 hat auch Rechtsanwältin K. Berufung gegen das ihr am 2. November 2016 zugestellte Urteil eingelegt.
Auf Nachfrage des Gerichts hat Rechtsanwalt H. mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 mitgeteilt, dass die frühere Bevollmächtigte nicht bevollmächtigt sei, Berufung einzulegen. Sie sei von dem Mandanten nicht bevollmächtigt worden, weshalb die Berufung zurückzuweisen sei. Es sei nie ein weiterer Auftrag zur Einlegung der Berufung an die frühere Rechtsanwältin erteilt worden.
Rechtsanwältin K. hat hierzu mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2016 Stellung genommen und hat mitgeteilt, dass sich die erteilte Vollmacht auf alle Instanzen beziehe. Da sich der Kläger nach der Übersendung des Urteils nicht gemeldet habe, sei aus Gründen der anwaltlichen Sorgfalt zur Fristwahrung Berufung eingelegt worden. Eine Mandatskündigung liege bis zum heutigen Tage nicht vor.
Mit weiterem Schreiben vom 2. Februar 2017, welches am gleichen Tag bei Gericht einging, hat Rechtsanwältin K. die Berufung zurückgenommen.
Das Verfahren ist in der Folge durch den Kläger und die B. weiter betrieben worden.
Mit Verfügung vom 18. Juni 2018 hat der Senat darauf hingewiesen, dass das Berufungsverfahren durch Rücknahme des Rechtsmittels beendet sei. Die im Schriftsatz der Rechtsanwältin K. vom 2. Februar 2017 enthaltene Prozesserklärung beschränke sich nicht auf die eigene Berufungseinlegung, sondern umfasse das gesamte Prozessrechtsverhältnis, auch wenn dieses von einem anderen Bevollmächtigten begründet worden sei (BSG, Urteil vom 18. November 1997, 2 RU 45/96). Rechtsanwältin K. habe den Kläger bei der Rücknahme der Berufung auch wirksam vertreten. Die in erster Instanz vorgelegte Prozessvollmacht beziehe sich auf alle Instanzen und damit auch das Berufungsverfahren. Ein Widerruf dieser Vollmacht sei nicht erfolgt, insbesondere nicht durch den Schriftsatz des neuen Bevollmächtigten vom 20. Dezember 2016. Denn hierin werde lediglich die unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt, die in erster Instanz tätige Bevollmächtigte nicht für das Berufungsverfahren bevollmächtigt zu haben. Eine Auslegung dieses reinen Tatsachenvortrages dahin, dass hiermit ein Widerruf einer etwa erteilten Vollmacht erklärt werden sollte, sei angesichts des Umstandes, dass das Schreiben von einem Rechtskundigen verfasst worden sei, nicht möglich. Darüber hinaus sei auch nicht erkennbar, dass sich der Auftrag und die Vollmacht des neuen Bevollmächtigten auf den Widerruf früher in gleicher Sache erteilter Vollmachten erstreckt habe.
Die Beklagte ist der in diesem Hinweisschreiben geäußerten Rechtsauffassung mit Schriftsatz vom 29. Juni 2018 beigetreten.
Rechtsanwalt H. hat unter dem 2. August 2018 Stellung genommen und hat folgendes vorgetragen: Der Kläger habe der Anwältin gesagt, dass die Vollmacht widerrufen ist und das Mandat gekündigt worden sei. Das Beziehen auf eine originäre Vollmacht, welche sich auf alle Instanzen bezieht, befähige die Anwältin nicht, Berufung einzulegen. Im Übrigen sei es nicht so, dass die Anwältin bevollmächtigt sei, alle Klageinstanzen durchzufechten, ohne Zusage des Klägers, auch wenn dies scheinbar fristwahrend erfolgt sei. Daraufhin habe die Anwältin Sorge zu tragen, ob sie für den konkreten Instanzenzug beauftragt sei, was ausschließlich nach Rücksprache mit dem Kläger zu erfolgen habe. Zwischenzeitlich habe der Mandant auch das Mandat bei der vorherigen Anwältin gekündigt. Im Übrigen habe auch der Verfasser mit der Gegenseite telefoniert und der Gegenseite mitgeteilt, dass das Mandatsverhältnis gekündigt und die Berufung zurückzunehmen sei. Ferner ha...