Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. ergänzende Leistung gem § 26 Abs 2 Nr 4 SGB 7. erneute Wohnungshilfe gem § 41 SGB 7. behinderungsbedingter Mehraufwand. anerkennenswerter Grund. familiäre Situation. Wohnungswechsel. Eigenheim. Miteigentum der Ehefrau. sozial-familiäre Beziehung: Lebensgefährte der Ehefrau und nicht eheliche Kinder. Grundrecht gem Art 11 GG. eheliches Zusammenleben. Grundrecht gem Art 6 Abs 1 GG
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Wohnungshilfe gemäß § 41 SGB 7.
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Wohnungshilfe erschöpft sich nicht in einer einmaligen Hilfe.
2. Zu den anerkennenswerten Gründen eines erneuten Wohnungswechsels (vgl BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 22/02 R = BSGE 91, 78-83 = SozR 4-2700 § 41 Nr 1).
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 10. April 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2012 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, über den Antrag des Klägers auf erneute Wohnungshilfe gemäß § 41 SGB VII für die Zeit ab dem 1. August 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
2. Die Beklagte trägt ¾ der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Wohnungshilfe in Form von behinderungsbedingten Mehraufwendungen für ein errichtetes Wohnhaus in W..
Der 1967 geborene Kläger, der nach wie vor mit seiner Ehefrau J. verheiratet ist, war seit 1983 als Forstwirt in B. beschäftigt. Mit Urteil vom 23. Juli 2004 verurteilte das LSG Baden-Württemberg die Beklagte, einen Zustand nach Meningoencephalitis mit schwerem Durchgangssyndrom als Folge einer Berufskrankheit der Ziffer 3102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten) anzuerkennen, wobei das LSG eine berufsbedingte Infektion mit Borrelien und FSME-Viren beim Kläger vor August 1999 als nachgewiesen ansah. Aufgrund des komplikationsreichen Krankheitsverlaufs und notwendiger Langzeitbeatmung bestehen beim Kläger komplexe Funktionseinschränkungen und -störungen bei ausgeprägter spastisch-ataktischer Tetraparese, Dysphagie, Dysarthrophonie, hirnorganischen Defiziten, Inkontinenz und depressiver Symptomatik. Mit Bescheid vom 4. Februar 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger seit dem 30. Januar 2001 eine unbefristete Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100%. Beim Kläger ist die (damalige) Pflegestufe III und ein Grad der Behinderung von 100 mit sämtlichen Nachteilsmerkmalen anerkannt.
Am 22. März 2007 beantragte der Kläger, der bis zu dieser Zeit mit seiner Ehefrau in P. (B.) wohnte, bei der Beklagten Wohnungshilfe nach § 41 SGB VII für eine Mietwohnung auf einem Bauernhof in L. bei W. mit einem Mietbeginn ab 1. April 2007. Das Haus habe eine Wohnfläche von 134,5 qm, sei ebenerdig und behindertengerecht. Da er sich in dem gemieteten Haus in L. trotz größerer Wohnfläche durch seine schwere Behinderung nicht allein selbständig mit dem Rollstuhl bewegen könne, werde ein Mietzuschuss nur über einen bestimmten Zeitraum anfallen. Dies deshalb, weil ein Hausneubau beabsichtigt sei, der jedoch erst realisiert werden könne, wenn ein passendes Grundstück in W. gefunden sei. Aufgrund eines Gesprächs vom 11. Mai 2007 kamen die Beteiligten überein, dass bei einer Gesamtwohnfläche von 134,5 qm der Mehrflächenanteil für den Kläger und seine Pflegekraft 60 qm betrage, der Mietzuschuss 357,00 €. Ab Mai 2007 komme noch ein Energiekostenzuschlag von 43,00 € hinzu, so dass der Zuschussbetrag dann insgesamt 400,00 € ausmache. Der Umzug des Klägers und seiner Ehefrau von B. nach M. fand Mitte Mai 2007 statt.
Das Mietverhältnis in L. endete wegen Eigenbedarfs des Vermieters zum 31. März 2009. Ab dem 1. April 2009 mieteten der Kläger und seine Ehefrau ein Zweifamilienhaus mit zwei Wohnungen im R.weg 4 in W. mit einer Gesamtwohnfläche von 193,33 qm. Am 10. März 2009 beantragte der Kläger Wohnungshilfe für dieses Mietobjekt. Da es sich hierbei um einen Neubau handele, habe er die Möglichkeit gehabt, teilweise mit zu planen und seinen Bedarf zu äußern. Die untere Wohnung sei daher komplett rollstuhlgerecht ausgebaut, sie habe z. B. größere Türen und eine befahrbare Dusche und sei ebenerdig. Die untere Wohnung verfüge über drei Zimmer, Küche, Bad und einen Hauswirtschaftsraum. Das untere Therapiezimmer sei mit vielen Hilfsmitteln ausgestattet und werde für die tägliche Therapie genutzt. Da es aber nicht für alle Therapiegeräte ausreiche, finde sich im zweiten Stock noch ein zusätzlicher Raum, in dem sich die tragbaren Therapiegeräte wie Pezziball, Physioroll usw. befänden. Die Betreuung erfolge durch eine 24-Stunden-Assistentin, die einen zusätzlichen Raum im zweiten Stock mit dazugehörigem Bad benötige. Durch seine starke Behinderung und seinen sehr großen elektrischen Rollstuhl werde wesentlich mehr Wohnfläche benötig...