Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlange Verfahrensdauer. Vorbereitungs- und Bedenkzeit. 3 Monate für Kostenfestsetzungsverfahren. 6 Monate für Erinnerungsverfahren. sozialgerichtliches Verfahren
Orientierungssatz
1. Es ist von einer noch angemessenen Verfahrensdauer für Kostenfestsetzungsverfahren auszugehen, wenn drei Monate Verfahrensdauer (zuzüglich aktiver Zeiten) nicht überschritten werden.
2. Hinsichtlich der Dauer eines Erinnerungsverfahrens ist eine angemessene Laufzeit von bis zu sechs Monaten zugrunde zu legen.
Tenor
Für das Kostenfestsetzungsverfahren wird eine überlange Verfahrensdauer von 13 Monaten und für das Erinnerungsverfahren eine Unangemessenheit der Verfahrensdauer von 3 Monaten festgestellt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Dauer eines Kostenfestsetzungs- sowie sich anschließenden Erinnerungsverfahrens unangemessen lang war.
Für das zugrunde liegende Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Neubrandenburg (S 14 AS 253/09) war dem dortigen Kläger im Verlaufe eines Erörterungstermins im August 2011 Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt worden. Im Rahmen dieses Termins wurde in der Hauptsache ein Vergleich abgeschlossen (die Nachzahlung eines Betrages von 150,00 € auf eine Betriebskostenabrechnung wurde vereinbart) unter einer Kostentragungspflicht des dortigen Beklagten in Höhe von 40 %.
Die Klägerin stellte am 03. Oktober 2011 einen Antrag auf Festsetzung ihrer PKH- Vergütung, die sie im Hinblick auf die anteilige Kostentragung durch den Beklagten auf 283,17 € bezifferte.
Eine daraufhin unter dem 17. Oktober 2011 vom Beklagten des Ausgangsverfahrens angeforderte Stellungnahme ging nach einmaliger Erinnerung am 30. Dezember 2011 beim SG ein. Mit Beschluss vom 08. Mai 2013 wurden vom SG die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 240,33 € festgesetzt unter Herabsetzung der geltend gemachten Terminsgebühr von 200,00 auf 140,00 €. Einem - nach Zustellung des Beschlusses am 15. Mai 2013 - am 16. Mai 2013 gestellten Antrag auf Festsetzung weiterer Kosten in Höhe von 135,66 € (Geltendmachung noch einer Erledigungsgebühr) wurde durch Beschluss vom 19. Juli 2013 entsprochen.
Gegen den Beschluss vom 08. Mai 2013 wurde gleichfalls am 16. Mai 2013 Erinnerung eingelegt, woraufhin nach einer die Erinnerung befürwortenden Stellungnahme der Bezirksrevisorin vom 05. Juli 2013 das SG die zu erstattenden Kosten durch Beschluss vom 02. Mai 2014 auf 283,17 € festsetzte. Im weiteren Verlauf wurden seitens der Klägerin im Juli 2014 erhobene Verzögerungsrügen jeweils zurückgenommen.
Am 04. August 2014 ist vor dem Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern Klage wegen einer ungemessen langen Verfahrensdauer sowohl des PKH- Kostenfestsetzungsverfahrens sowie auch des Erinnerungsverfahrens - S 9 SF 90/13 E - erhoben worden. Nach am 03. Oktober 2011 beantragter Kostenfestsetzung seien die Kosten erst mit Beschluss vom 08. Mai 2013 nach 19 Monaten teilweise festgesetzt worden, während der Erinnerung vom 16. Mai 2013 erst mit Beschluss vom 02. Mai 2014 nach einem Jahr stattgegeben worden sei. Für Kostenfestsetzungsverfahren sei ein Bearbeitungszeitraum von einem Monat, allenfalls von drei Monaten angemessen, für Erinnerungsverfahren ein Bearbeitungszeitraum von drei Monaten und unter Berücksichtigung geringfügiger Verzögerungen eine Bearbeitungszeit von höchstens einem halben Jahr.
Die Klägerin beantragt,
eine Unangemessenheit sowohl des Kostenfestsetzungsverfahrens wie auch des Erinnerungsverfahrens festzustellen.
Die Vertreterin des Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass sowohl das Kostenfestsetzungsverfahren wie auch Erinnerungsverfahren unangemessen lange gedauert haben dürften.
Betreffs des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Einlegung einer Verzögerungsrüge bedurfte es nicht, da die Klägerin allein eine Wiedergutmachung auf andere Weise durch Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) begehrt.
Die Klage ist auch im Sinne der Argumentation der Klägerin, dass ein Kostenfestsetzungsverfahren eine regelmäßige Bearbeitungszeit bis zu drei Monaten und ein nachfolgendes Erinnerungsverfahren bis zu sechs Monaten rechtfertigt, vollumfänglich begründet.
Ein Entschädigungsanspruch setzt gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zunächst voraus, dass das betreffende Verfahren von unangemessener Dauer war. Nach Satz 2 dieser Vorschrift richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
Dieser unbestimmte Rechtsbegriff der “unangemessenen Dauer„ wird vom Bundessozialgericht (BSG) in mittlerweile gefesti...