Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. verspätete Meldung der Arbeitsunfähigkeit. Sonderfall. Verantwortungsbereich der Krankenkasse. unvollständige sowie fehlerhafte Belehrung und Beratung
Leitsatz (amtlich)
In Sonderfällen, in denen die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Ver-antwortungsbereich der Krankenkassen zuzurechnen sind, bleiben Krankengeldansprüche der Versicherten trotz§ 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V durchsetzbar (Urteil vom 8. August 2019 B 3 KR 6/18 R , juris Rn. 22 ).
Ein solcher Sonderfall ist anzunehmen, wenn der Versicherte von seiner Krankenkasse im Rahmen allgemeiner Hinweise und Formularinhalte sowohl unvollständig als auch fehlerhaft belehrt wird und zudem trotz entsprechenden Anlasses im Einzelfall nicht darüber beraten wird, dass die Übersendung der formularmäßigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Fristwahrung keineswegs erforderlich ist.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist das Ruhen des Anspruchs der Klägerin auf Krankengeld für den Zeitraum vom 10. Februar 2017 bis zum 05. März 2017.
Die am … 1960 geborene Klägerin war bis April 2017 abhängig beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Seit Mai 2017 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Klägerin erkrankte am 15. September 2016 arbeitsunfähig. Dr. K., FA für Innere Medizin, stellte am 15. September 2016 eine Erstbescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit vom 15. September 2016 bis zunächst zum 26. September 2016 aus. Nachfolgend stellte Dr. K. mehrere, jeweils nahtlos anschließende Folgebescheinigungen aus, zuletzt bis zum 20. Oktober 2016. Der Arbeitgeber leistete bis zum 26. Oktober 2016 Lohnfortzahlung. Eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde von Dr. K. am 20. Oktober 2016 für den Zeitraum bis zum 15. November 2016 ausgestellt. Diese Bescheinigung ging am 02. November 2016 bei der Beklagten ein.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 02. November 2016 gewährte die Beklagte der Klägerin ab dem 28. Oktober 2016 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 45,58 EUR brutto und 40,10 EUR netto. Mit weiterem, ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 02. November 2016 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld für den 27. Oktober 2016 ab. Die Arbeitsunfähigkeit sei am 20. Oktober 2016 ärztlich festgestellt worden. Die Meldung habe die Beklagte erst am 28. Oktober 2016 und damit außerhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Zeitrahmens erreicht. Nach§ 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhe der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht innerhalb einer Woche gemeldet werde.
Der Bescheid über die Krankengeldhöhe erhielt zudem u. a. die folgenden weiteren Hinweise auf der Rückseite:
- Vor jeder Auszahlung des Krankengeldes muss die Arbeitsunfähigkeit erneut nachgewiesen werden und der C. innerhalb von sieben Tagen nach deren Feststellung gemeldet werden.
- [...]
- Die letzte Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit darf nicht früher als 2 Tage vor dem Ende der Arbeitsunfähigkeit ausgestellt sein.
In der Folgezeit wurden durch Dr. K. Folgebescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung ausgestellt, zuletzt bis einschließlich zum 09. Februar 2017. Die Beklagte gewährte weiterhin Krankengeld. Eine weitere Folgebescheinigung wurde durch Dr. K. am 09. Februar 2017 ausgestellt für den Zeitraum bis voraussichtlich zum 10. März 2017.
Am 06. März 2017 meldete sich der Ehemann der Klägerin telefonisch bei der Beklagten und fragte nach der ausstehenden Zahlung des Krankengeldes für den Zeitraum seit dem 10. Februar 2017. Ihm wurde mitgeteilt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 09. Februar 2017 nicht eingegangen sei. Er übersandte der Beklagten daraufhin eine Kopie der für den Versicherten bestimmten Ausfertigung der Bescheinigung (Muster 1c), welche am 08. März 2017 bei der Beklagten einging.
Mit Bescheid vom 08. März 2017 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 10. Februar 2017 bis zum 05. März 2017 ab, da ihr die weitere Arbeitsunfähigkeit ab dem 10. Februar 2017 erst am 06. März 2017 telefonisch und damit verspätet gemeldet worden sei.
Mit Schreiben vom 14. März 2017 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Arbeitsunfähigkeit-Meldung zur Fristwahrung zunächst auch telefonisch bzw. per E-Mail erfolgen könne. Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne später nachgereicht werden. Im Übrigen sei der Versicherte für die fristgerechte Meldung der Arbeitsunfähigkeit selbst verantwortlich. Verluste oder Verzögerungen auf dem Postweg seien ihr nicht anzulasten.
Gegen den Ablehnungsbescheid vom 08. März 2017 legte die Klägerin am 15. März 2017 Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02. August 2017 als unbegründet zurückwies. Nach§ 44 Abs. 1 SGB V bestehe ein Anspruch a...