Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Einkommensanrechnung. keine Berücksichtigung des Steuerfreibetrags gemäß § 10e EStG. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. § 194 Abs 2 SGB 3 beinhaltet einen eigenständigen Einkommensbegriff, der weder dem steuerlichen noch dem nach den übrigen Vorschriften des Sozialrechts geltenden Begriff gleichzusetzen ist.

2. Nach § 194 Abs 2 SGB 3 und der ergänzenden Vorschrift des Abs 3 kann nur Einkommen berücksichtigt werden, was in einer steuerlichen Förderung (hier Steuerfreibetrag nach § 10e EStG) nicht gegeben ist.

3. § 194 Abs 3 Nr 4 SGB 3 ist nicht verfassungswidrig und kann auch nicht im Wege einer lückenfüllenden Auslegung dahingehend gedeutet werden, dass auch die Förderung durch einen Steuerfreibetrag erfasst wird.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.06.2005; Aktenzeichen B 7a/7 AL 92/04 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch streitig, ob sich die dem Kläger gewährte Arbeitslosenhilfe zu Recht wegen der seiner Frau gewährten Eigenheimzulage mindert.

Der Kläger erhielt nach einem Arbeitslosengeldbezug ab Mai 1995 und einer weiteren Beschäftigung vom Dezember 1997 bis Dezember 1998 Anschlussarbeitslosenhilfe bewilligt ab 16. Juni 1999 bis 15. Juni 2000. Die Beklagte gewährte zunächst am 04. Juni 1999 vorläufige Arbeitslosenhilfe. Dann setzte sie mit Alhi-Bewilligungsbescheid vom 02. Juli 1999 die Arbeitslosenhilfe endgültig fest. Dagegen erhob der Kläger am 12. Juli Widerspruch und beantragte die Berücksichtigung der seiner Frau gezahlten Eigenheimzulage. Mit Bescheid vom 09. Juli 1999 forderte die Beklagte einen Teil der vorläufig bewilligten Arbeitslosenhilfe zurück, und zwar in Höhe von 173,55 DM. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch am 05. August 1999. Am 17. August 1999 erließ die Beklagte zwei Änderungsbescheide, und zwar erhöhte sie zunächst Alhi auf wöchentlich 196,14 DM wegen einer Erhöhung anrechenbarer Versicherungsbeträge des Klägers und erließ weiterhin einen Änderungsbescheid zum Erstattungsbescheid, in dem sie den Zahlbetrag vom 173,55 DM auf 167,85 DM reduzierte. Mit Bescheid vom 18. August erließ die Beklagte einen Widerspruchsbescheid, und zwar hinsichtlich der endgültigen Festsetzung der Höhe der Arbeitslosenhilfe und der Rückforderung zuviel gezahlter Leistungen. In dem Widerspruchsbescheid wies sie den Widerspruch zurück, soweit nicht in den Änderungsbescheiden vom 17. August dem Widerspruch abgeholfen worden war. Die Beklagte wies darauf hin, die der Ehefrau des Klägers gezahlte Eigenheimzulage in Form der alten Berechnungsgrundlage nach § 10 e und 31 f EStG könne beim Einkommen der Ehefrau nicht für den Kläger leistungsmindernd berücksichtigt werden. Nach § 194 Abs. 3 Satz 4 SGB III sei die Eigenheimzulage nicht dem Einkommen anzurechnen. Diese Eigenheimzulage sei in einem Betrag zu zahlen und nicht wie nach § 10 e EStG als Steuervergünstigung zu gewähren. Daher könne dem Vortrag des Klägers, beide seien nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes gleich zu behandeln, nicht gefolgt werden. Die Ehefrau des Klägers erhalte eine Steuerermäßigung, dabei handele es sich nicht um tatsächliches Einkommen im Sinne der Vorschrift über die Arbeitslosenhilfe. Deshalb könne der Freibetrag nicht vom Einkommen der Ehefrau für den Kläger leistungssteigernd abgezogen werden.

Am 09. Dezember 1999 erging ein Änderungsbescheid zur Höhe der Arbeitslosenhilfe.

Im Mai 2000 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag, über den mit Bescheid vom 25. Mai 2000 entschieden wurde. Gegen die wiederholte Nichtberücksichtigung des Freibetrages legte er erneut Widerspruch ein, der mit Bescheid vom 30. Juni 2000 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Hiergegen richtet sich die Klage vom 26. Juli 2000 (S 1 AL 188/00).

Nach einer Tätigkeit von Oktober 2000 bis Ende März 2001 beantragte der Kläger erneut Arbeitslosenhilfe, die ihm mit Bescheid vom 09. April 2001 bewilligt wurde. Mit Bescheiden vom 02., 03. und 16. Juli wurde dem Widerspruch teilweise abgeholfen, auch hier legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Bescheid vom 27. Juli 2001 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Auch gegen diesen Widerspruchsbescheid wurde rechtzeitig Klage erhoben (S 1 AL 258/01).

Das Sozialgericht Rostock hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2002 die drei Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der Niederschrift wird festgestellt, dass Streitgegenstand ausschließlich die Eigenheimzulage bzw. die Berücksichtigung des steuerlichen Freibetrages gemäß § 10 e EStG sei. Die Höhe der übrigen Anrechnungsbeträge, die die Beklagte festgestellt habe, werde nicht angefochten. Vom Gericht wurde auf das rechtskräftige Urteil des schleswig-holsteinischen Landessozialgerichts Az. L 3 AL 21/99 zu der streitbefangenen Frage hingewiesen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25. April 2002 die Klagen abgewiesen und als Begründung ausgeführt, in § 194 Abs. 3 Nr. 4 SGB III werde ausdrücklich angeordnet, dass die Eigenheimzulage bei dem ...

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