Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung bei selbst verschuldetem Verkehrsunfall
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, §§ 549, 554 Abs. 1, § 553 S. 1; SGB VII § 212; StGB § 315c Abs. 1 Nr. 2
Tenor
- Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 09. September 1999 sowie der Bescheid der Beklagten vom 02. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 1998 aufgehoben.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Unfall des Klägers vom 15. September 1995 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
- Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger bei seinem Unfall vom 15. September 1995 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Der . 1958 geborene und in Schw. wohnhafte Kläger ist gelernter Heizungsmonteur. Am Unfalltage war er als Leiharbeitnehmer der Firma . Zeitarbeit GbR an die Firma L ausgeliehen worden, die ihn auf einer Baustelle in Gr beschäftigte. Am 15. September 1995 trat der Kläger von seinem Wohnort in Schw die Fahrt in Richtung seiner Arbeitsstelle an. Gegen 6. 40 Uhr befuhr er mit seinem Pkw die Bundesstraße 191 zwischen Pa und Ro in Richtung Lü, die nach den Feststellungen der Polizeidirektion Pa zu diesem Zeitpunkt ein hohes Verkehrsaufkommen aufwies. Zusätzlich war die Sicht durch Nebel eingeschränkt. In Höhe Scha Mühle überholte der Kläger trotz eines ausgeschilderten Überholverbots und einer durchgezogenen Fahrbahnmarkierung vor einer Kurve das vor ihm fahrende Fahrzeug und stieß während des Überholmanövers mit einem im Gegenverkehr befindlichen Kleintransporter zusammen. Bei dem Unfall wurde der Kläger schwer verletzt (u.a. Oberschenkelfraktur links, vordere Beckenringfraktur rechts), ein Insasse des entgegenkommenden Fahrzeugs zog sich eine Brustkorbprellung zu. Nachdem die Beklagte von dem Unfall des Klägers durch den Durchgangsarztbericht des Dr. Kr vom 18. September 1995 sowie einer Unfallanzeige des Arbeitgebers erfahren hatte, zog sie zunächst die Arztberichte bei, die anlässlich der stationären Behandlung und Nachbehandlung des Klägers angefertigt worden waren. Da die Arbeitsunfähigkeit des Klägers über die 78. Woche hinaus andauerte, bat die Beklagte die AOK Mecklenburg-Vorpommern (Beigeladene zu 1. ), bei der der Kläger gegen Krankheit versichert ist, mit Schreiben vom 18. Februar 1997, in ihrem Auftrag Verletztengeld über die 78. Woche hinaus zu zahlen. Desweiteren veranlasste die Beklagte eine Berufsfindung des Klägers durch die Technische Fachschule H. In deren Ergebnisbericht vom 08. Juni 1997 hieß es unter anderem, dass wegen einer retrograden Amnesie als Folge eines Schädelhirntraumas der Kläger sich selbst an den Unfall nicht erinnern könne. Anlässlich der im Oktober 1997 erfolgten Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Schwerin (Az.: ) erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl des Amtsgerichts Pa vom 17. Juli 1996 gegen den Kläger eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,00 DM wegen einer Straßenverkehrsgefährdung gemäß §§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 1, 230 i.V.m. 223, 232, 40, 42, 43, 52 Strafgesetzbuch (StGB) festgesetzt worden war.
Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 05. November 1997 mit, dass sie beabsichtige, den Unfall vom 15. September 1995 nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen und für bereits gewährte Leistungen von seiner Krankenkasse Erstattung zu fordern. Vorliegend sei eine Lösung von der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit eingetreten, da der innere Zusammenhang mit der Tätigkeit durch sein Fahrverhalten zum Unfallzeitpunkt beendet worden sei. Aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Pa gehe hervor, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt ein grob rücksichtsloses, verkehrswidriges und somit eigensüchtiges Verhalten an den Tag gelegt habe.
In seiner Stellungnahme vom 24. November 1997 teilte der Kläger mit, am Unfalltage sei ihm auf der Fahrt zu seinem Arbeitseinsatzort in Gr hinter Pa eingefallen, dass er noch eine Bohrmaschine im Kofferraum gehabt habe, welche er zu der L in Lü habe bringen sollen. Diese Bohrmaschine sei von Kollegen für die Arbeit an einer neuen Baustelle benötigt worden. Deshalb habe er den Weg über Ro nach Lü eingeschlagen, um in Lü die Bohrmaschine abzugeben. Bei einem Blick auf die Uhr sei ihm bewusst geworden, dass er es aus zeitlichen Gründen bis Lü nicht mehr "schaffen" würde und die Kollegen Lü bereits verlassen haben würden, wenn er dort einträfe. Daraufhin habe er sein Fahrzeug gewendet und sei wieder in Richtung Pa gefahren, um von dort aus zu seinem Arbeitsort nach Gr zu gelangen, da er der Meinung gewesen sei, pünktlich zum Arbeitsbeginn um 7.00 Uhr in Gr auf der Baustelle sein zu können. Entweder hätten dann die Kollegen die benötigte Bohrmaschine bei ihm auf der Baustelle in Gr abholen oder er den Einsatzort s...