Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. ehrenamtlich tätiger Bürgermeister einer amtsangehörigen Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern
Leitsatz (amtlich)
Zur Versicherungspflicht eines ehrenamtlichen Bürgermeisters einer amtsangehörigen Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern.
Orientierungssatz
Die Ausführungen im Urteil des BSG vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R = BSGE 124, 37 = SozR 4-2400 § 7 Nr 31 sind nicht auf ehrenamtliche Organtätigkeiten in der funktionalen Selbstverwaltung beschränkt. Sie sind auch auf ehrenamtliche Organtätigkeiten in der kommunalen Selbstverwaltung anzuwenden.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 17. November 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2014 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Kläger in seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Bürgermeister der Beigeladenen zu 1. nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand und deshalb nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung unterlag.
2. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren tragen die Beklagte und die Beigeladene E. je zur Hälfte. Im Übrigen trägt die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV.
Der im … 1953 geborene Kläger bezog seit dem 1. Februar 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung. In der Zeit vom 15. Juli 2009 bis September 2016 war er als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde W.-B., die zum Gemeindeverbund Amt D-Stadt-R. gehört, tätig. Hierfür erhielt er eine Entschädigung in Höhe von 500,00 € monatlich.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12. September 2013 beantragte der Kläger, seinen sozialversicherungsrechtlichen Status als ehrenamtlicher Bürgermeister bei der Gemeinde W.-B. festzustellen. Auf das Anforderungsschreiben der Beklagten vom 16. Januar 2014 übersandte der Kläger den von ihm ausgefüllten Fragebogen, die Ernennungsurkunde vom 15. Juli 2009, Kopien von Lohn-/Gehaltsabrechnungen sowie die Hauptsatzung der Gemeinde W.-B. (Beschluss vom 21. Juli 2004), die 1. Satzung zur Änderung der Hauptsatzung der Gemeinde W.-B. vom 10. Mai 2006 sowie die Hauptsatzung der Gemeinde W.-B. vom 26. März 2012. Ergänzend teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Schreiben vom 14. März 2014 mit, dass der Kläger neben seiner Organstellung keine überwiegend im allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsfunktionen als Bürgermeister ausübe. Es werde davon ausgegangen, dass die Tätigkeit des Klägers als ehrenamtlicher Bürgermeister keine versicherungspflichtige Beschäftigung sei.
Mit gleichlautenden Schreiben vom 6. Mai 2014 hörte die Beklagte sowohl den Kläger als auch die Gemeinde W.-B. zu ihrer beabsichtigten Entscheidung an, von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgehen zu wollen. Zur Begründung für diese Annahme führte die Beklagte aus, dass sich aus der Tätigkeit des Klägers Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ergäben. Diese seien, dass der Kläger zum Bürgermeister ernannt worden sei, er unter Beachtung der kommunalverfassungsrechtlichen Ausgestaltung des Ehrenamtes verschiedenen weisungsgebundenen Verwaltungsaufgaben unterliege, er monatlich eine feste Aufwandsentschädigung erhalte, er überwiegend Verwaltungsaufgaben zu erledigen habe, er die Gemeindeverwaltung leite und die Zuständigkeiten des Bürgermeisters in der Hauptsatzung aufgeführt seien. Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit lägen nicht vor. Die Beschäftigung sei aufgrund der Geringfügigkeit der Entlohnung versicherungsfrei (§ 8 Nr. 1 SGB VI in der Fassung bis 31. Dezember 2012).
Hierauf führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Schreiben vom 30. Mai 2014 aus, dass sich aus der Ernennung zum ehrenamtlichen Bürgermeister keine Rückschlüsse auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ziehen ließen, da der Status eines Ehrenbeamten mit dem eines Beamten vergleichbar sei und Beamte grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtig seien. Der Ehrenbeamte nehme hoheitsrechtliche Aufgaben wahr, die nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürften, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stünden. Der Erhalt einer Aufwandsentschädigung lasse keinen Schluss auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu. Denn dann müssten auch die Gemeindevertreter als abhängig beschäftigt gelten, da auch sie eine Aufwandsentschädigung erhielten. Die von der Beklagten genannten weisungsgebundenen Verwaltungsaufgaben führten nicht zu der Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Darauf, dass der Bürgermeister die Gemeinde vertrete, können nicht abgestellt werden. Denn dann ginge die Entscheidung des Bundessozialgerichts ...