Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Ermächtigung zur ambulanten Behandlung durch Krankenhausärzte. Erteilung von drei Ermächtigungen ohne Fallzahlbegrenzung. Versorgungsdefizit von wenigen 100 Fällen. Überschreitung des Beurteilungsspielraums. Prüfung von Versorgungslücken. Einbeziehung von Versorgungsangeboten oder -defiziten anderer Planungsbereiche nur in Ausnahmefällen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erteilung von drei Ermächtigungen ohne Fallzahlbegrenzung stellt bei einem angenommenen Versorgungsdefizit in der vertragsärztlichen Versorgung von allenfalls wenigen 100 Fällen eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums der Zulassungsgremien dar.

2. Bei der Prüfung von Versorgungslücken kommt die Einbeziehung von Versorgungsangeboten oder -defiziten in anderen Planungsbereichen nur ausnahmsweise in Betracht, etwa wenn der Versorgungsbedarf in Planungsbereichen von nur geringer räumlicher Ausdehnung durch leicht und schnell erreichbare Versorgungsangebote der angrenzenden Bereiche gedeckt wird (vgl BSG vom 19.7.2006 - B 6 KA 14/05 R = SozR 4-2500 § 116 Nr 3). Stehen Planungsbereiche mit Größen zwischen 3.612 und mehr als 7.000 km² in Rede, ist von einem derartigen Ausnahmefall nicht auszugehen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 6. März 2019 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse des Beklagten vom 1. Juni 2016 insoweit rechtswidrig gewesen sind, als darin die Beigeladenen zu 1) bis 3) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, für Diagnostik und Behandlung von Patienten mit schweren Verlaufsformen rheumatologischer Erkrankungen und rheumatischen Erkrankungen während der Schwangerschaft auf Überweisung von Vertragsärzten ermächtigt worden sind.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit der den zu 1) bis 3) beigeladenen im Krankenhaus Klinikum Südstadt A-Stadt angestellten Ärzten durch den beklagten Berufungsausschuss für Ärzte in MV durch Beschlüsse vom 1. Juni 2016 für die Zeit bis 30. Juni 2017 erteilten Ermächtigungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen rheumatologischen Versorgung.

Die Klägerin nimmt seit 2014 aufgrund einer Sonderbedarfszulassung durch den Beklagten an der vertragsärztlichen Versorgung als Fachärztin für Innere Medizin sowie Fachärztin für Rheumatologie mit Praxissitz in A-Stadt teil (Beschluss vom 18. Juni 2014).

Die zu 1) bis 3) Beigeladenen sind Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Rheumatologie, waren im Streitzeitraum im Krankenhaus Klinikum Südstadt A-Stadt angestellt und dort in der Klinik für Innere Medizin II tätig.

Das Rheumazentrum der Klinik für Innere Medizin II war bis zum 30. September 2015 für die Diagnostik und Therapie rheumatologischer Erkrankungen - auch für den Standort P-Stadt sowie zur Behandlung von Patienten mit der Immunschwächeerkrankung CVID - auf Überweisung von Vertragsärzten nach § 31 Ärzte-ZV ermächtigt. Im Rahmen dieser Institutsermächtigung waren im Rheumazentrum zuletzt mehr als 1.800 Patienten im Quartal ambulant behandelt worden, überwiegend wegen rheumatologischer Erkrankungen.

Das Rheumazentrum hatte am 07. April 2015 die Verlängerung dieser Ermächtigung beantragt. Durch Beschluss vom 27. Mai 2015 hat der Zulassungsausschuss auf diesen Antrag die Ermächtigung im bisherigen Umfang bis zum 30. September 2017 verlängert. Auf den dagegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch änderte der Beklagte durch Beschluss vom 23. September 2015 den Beschluss des Zulassungsausschusses ab und verlängerte die Ermächtigung des Rheumazentrums bis 30. September 2017 nur noch hinsichtlich der rheumatologischen Behandlung am Standort P-Stadt sowie der Behandlung von Patienten mit der Immunschwächeerkrankung CVID an den Standorten A-Stadt und P-Stadt und lehnte den Antrag im Übrigen wegen des Vorranges persönlicher Ermächtigungen bestandskräftig ab.

Am 5. Oktober 2015 beantragten daraufhin neben den zu 1) bis 3) Beigeladenen auch noch der im selben Krankenhaus angestellte Arzt Dr. G. persönliche Ermächtigungen für die Erbringung rheumatologischer Leistungen. Der Zulassungsausschuss gab durch Beschlüsse vom 7. Oktober 2015 (in der Fassung der Beschlüsse vom 25. November 2015) den Anträgen weitgehend statt und erteilte Ermächtigungen für die Zeit vom 08. Oktober 2015 bis 31. Dezember 2018 wie folgt:

- dem Beigeladenen zu 1) für die Leistungen Diagnostik und Therapie rheumatologischer Erkrankungen und die Behandlung von Patienten mit der Immunschwächeerkrankung CVID am Klinikum Südstadt auf Überweisung von Vertragsärzten, für die Durchführung und Abrechnung spezieller Laborleistungen nach den EBM-Nrn. 32443, 32444, 32460, 32461, 32489, 32490- 32493, 32496, 32527, 32528, 32560, 32563 auch auf Überweisung der Beigeladenen zu 2) und 3) sowie zur Durchführung und Abrechnung der Röntgendiagnostik des Thorax und des gesamten Skelettsy...

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