Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Ermächtigung eines Krankenhausarztes. grds keine Beschränkung auf Überweisung durch Fachkollegen. Aufhebung. Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Ermächtigungsbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der Rechtsprechung des BSG (zuletzt: vom 17.2.2016 - B 6 KA 6/15 R =  BSGE 120, 254 = SozR 4-2500 § 119 Nr 2 = juris RdNr 49) darf die Ermächtigung eines Krankenhausarztes in Fällen eines quantitativ oder qualitativ unzureichenden Leistungsangebots der niedergelassenen Vertragsärzte grundsätzlich nicht auf die Überweisung durch Fachkollegen beschränkt werden.

2. Hat tatsächlich (nur) ein niedergelassener Vertragsarzt (hier: FÄ für Rheumatologie) noch erhebliche Behandlungskapazitäten, gehen die Zulassungsgremien aber im Ergebnis von einem darüber hinausgehenden Versorgungsbedarf (hier im Bereich der internistischen Rheumatologie) sowohl in zahlenmäßiger als auch qualitativer Hinsicht (Schwere Fälle) aus, erscheint es im Rahmen einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Vorranges der niedergelassenen Ärzte sachgerecht, die Fallzahl der Ermächtigung zu begrenzen, um zu verhindern, dass Versicherte unter Umgehung des niedergelassenen Arztes den ermächtigten Arzt direkt ansteuern.

 

Orientierungssatz

Zur Aufhebung der Anordnung der vom Berufungsausschuss angeordneten sofortigen Vollziehung eines Ermächtigungsbescheides in mehrpoligen Rechtsverhältnissen (Drittwiderspruchsklage des zugelassenen Vertragsarztes gegen die Ermächtigung eines Krankenhausarztes).

 

Tenor

Auf den Antrag der Antragstellerin vom 20.06.2016 wird die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom selben Tag (S 3 KA 22/16) angeordnet, soweit die Ermächtigung des Beigeladenen zu 1) unter Berücksichtigung der weiteren Ermächtigungen für Dr. K. und Dr. S. für zusammen mehr als 800 Behandlungsfälle im Quartal erteilt worden ist. Bei der Ermittlung der Fallzahl sind die Leistungen des Beigeladenen zu 1) aufgrund seiner Ermächtigung für die Behandlung von Patienten mit der Immunschwächeerkrankung CVID sowie für die Durchführung und Abrechnung spezieller Laborleistungen bzw. die Durchführung und Abrechnung der Röntgendiagnostik des Thorax und gesamten Skelettsystems nicht zu berücksichtigen. Diese Fallzahlbegrenzung gilt ab dem 3. Quartal 2016.

Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin 50 %, der Antragsgegner und der Beigeladene zu 1) je 25 %.

Der Streitwert wird auf 20.000 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Darstellung im Beschluss vom 01.07.2016 verwiesen, durch den das Gericht eine vorläufige Regelung bis zur Entscheidung über den Eilantrag getroffen hatte.

II.

Der gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zulässige Antrag vom 20.06.2016 (1.) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (2.). Im Übrigen ist er als unbegründet abzulehnen.

1. Die Zulässigkeit beurteilt sich nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.

Gem. § 86b Abs. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag

1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,

2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,

3. in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

Die Vorschrift ist auch dann heranzuziehen, wenn die Verwaltung gem. § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Die sofortige Vollziehung war hier vom Antragsgegner (AG) angeordnet worden (§ 97 Abs. 4 SGB V), deshalb entfällt nach § 86a Abs. 2 SGG die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (AS) vom 20.06.2016 gegen den Beschluss vom 01.06.2016.

Die AS ist auch antragsbefugt. In der Regel ist es der belastete Adressat, der einen Rechtsbehelf einlegt und die Anordnung der aufschiebende Wirkung beantragt, es kann aber auch ein durch einen begünstigenden Verwaltungsakt, hier die Ermächtigung des Beigeladenen zu 1), belasteter Dritter sein. Für die Frage der Zulässigkeit ist dabei ausreichend, dass eine Rechtsverletzung durch die Verwaltungsentscheidung nach seinem eigenen Vortrag nicht ausgeschlossen ist.Die Antragsbefugnis folgt insoweit der Klagebefugnis. Die Anfechtung eines Verwaltungsaktes durch einen Dritten ist aber nur dann bereits unzulässig ist, wenn dessen Rechte offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (vgl. nur: BSG v. 17.08.2011 - B 6 KA 26/10 R -, juris Rn. 15; speziell zur Anfechtung von Ermächtigun...

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