Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Betriebskostennachforderung für nicht mehr bewohnte Wohnung. Leistungsbezug im Entstehungszeitraum und im Zeitpunkt der Fälligkeit. existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung zwischen Nachforderung und Bedarf für Unterkunft und Heizung im Fälligkeitsmonat
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Betriebskostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung ist als aktueller Bedarf im Fälligkeitsmonat bei den Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II zu berücksichtigen, wenn der Leistungsberechtigte im Zeitraum der tatsächlichen Entstehung der Kosten im Leistungsbezug stand und auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung noch steht.
2. Die existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung zwischen der Nachforderung mit dem unterkunftsbezogenen Bedarf im Fälligkeitsmonat ist darin zu sehen, dass der Hilfebedürftige in der Zeit des tatsächlichen Entstehens der Betriebskosten Grundsicherungsleistungen bezogen hat.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 3. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die der Klägerin im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Bedarf der Klägerin für Unterkunft und Heizung im Monat September 2011 auch die in diesem Monat fällige Betriebskostennachzahlung (BKNZ) für ihre frühere Wohnung umfasst.
Die 1958 geborene erwerbsfähige Klägerin bezog (auch) in den Jahren 2010 und 2011 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom Beklagten. Sie bewohnte bis zum 31. August 2010 zusammen mit ihrem damals 25jährigen Sohn eine ca. 46 qm große Wohnung. Die Miete betrug ab dem 1. Dezember 2009 insgesamt 351,69 € (217,58 € Grundmiete + 51,42 € Vorauszahlung Betriebskosten + 82,69 € Vorauszahlung Wärmeversorgung).
Den Sohn berücksichtigte der Beklagte lediglich als Mitglied der Haushaltsgemeinschaft, da dieser aufgrund seines Einkommens den eigenen Bedarf selbst decken konnte. Der Beklagte bewilligte der Klägerin die Hälfte der zu berücksichtigenden monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU), zuletzt mit Bescheid vom 12. April 2010 KdU in Höhe von jeweils 169,37 € für die Monate Mai bis Oktober 2010.
Mit Bescheid vom 7. Juli 2010 erteilte der Beklagte auf den Antrag der Klägerin vom 21. Mai 2010 die Zusicherung zum Umzug in eine im selben Ort gelegene 62,38 m2 große Wohnung. Dabei wurde eine Miete i. H. v. 318,-- € (Grundmiete i. H. v. 190,-- €; Betriebskostenvorauszahlung 63,-- €, Heizkostenvorauszahlung i. H. v. 63,-- €) zugrunde gelegt. Der Umzug sei erforderlich, da die bisher bewohnte Wohnung für zwei erwachsene Personen zu klein sei. Die Wohnfläche sei noch nicht einmal für eine Person angemessen. Der Klägerin stehe durch das Durchgangszimmer kein Raum für eine angemessene Privatsphäre zur Verfügung.
Am 28. Juli 2010 schloss die Klägerin mit ihrer Vermieterin den Wohnungsmietvertrag und zum 1. September 2010 zog sie gemeinsam mit ihrem Sohn um. Für die neue Wohnung fiel eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 318,-- € an. Der Beklagte erkannte den hälftigen Anteil der zu berücksichtigenden Kosten als Unterkunftsbedarf der Klägerin an.
Mit Aufhebungsbescheid vom 20. August 2010 wurden die Leistungen für den Zeitraum vom 1. September 2010 bis zum 31. Oktober 2010 teilweise in Höhe von je 16,84 € aufgehoben, weil sich die Miete durch den Umzug verringert hatte.
Im weiteren Verlauf wurden der Klägerin auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 5. April 2011 mit Bescheid vom 8. April 2011 Leistungen für den Zeitraum vom 1. Mai 2011 bis einschließlich 31. Oktober 2011 (u. a. KdU in Höhe von 159,-- €/Monat) bewilligt.
Am 29. Juli 2011 erhielt die Klägerin eine Betriebskostenabrechnung - BKA - für die von ihr im Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. August 2010 bewohnte Wohnung, mit der eine Nachforderung in Höhe von 137,04 € geltend gemacht wurde.
Weiter erhielt sie eine BKA für die von ihr bewohnte „neue" Wohnung für den Zeitraum 18. August 2010 bis 31. Dezember 2010, die einen Nachzahlungsbetrag i. H. v. 341,95 € auswies. Zugleich wurde mit dieser BKA die Miete ab dem 1. September 2011 auf insgesamt 314,78 € festgesetzt.
Die Klägerin reichte beide Betriebskostenabrechnungen am 1. August 2011 beim Beklagten ein.
Die BKA für die frühere Wohnung legte der Beklagte als Überprüfungsantrag aus und lehnte mit Bescheid vom 4. August 2011 die Überprüfung des Leistungsbescheids und die Übernahme der anteiligen BKNZ ab. Es handele sich um keinen gegenwärtigen Bedarf im Sinne des § 22 Absatz 1 SGB II.
Mit Änderungsbescheid vom 4. August 2011 setze der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum 1. September bis einschließlich 31. Oktober 2011 neu fest. Er bewilligte der Klägerin für den September 2011 u. a. Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 328,35 € einschließlich der Nachzahlung für den Zeitraum 1. September bis 3...