Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Todes. Witwenrente. widerlegbare Vermutung. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. Versorgungsabsicht. eheähnliche Gemeinschaft. Heiratsabsicht. Scheidungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Zur Gewährung einer Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat - hier bejaht.
Orientierungssatz
War ua eine frühere Eheschließung aufgrund eines Scheidungsverfahrens unmöglich, so ist selbst dann nicht von einer Versorgungsehe auszugehen, wenn der Versicherte bereits bei der Hochzeit tödlich erkrankt war und die Ehe nur wenige Monate dauerte.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 23. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Witwenrente.
Die Klägerin heiratete am ... Mai 2005 J. (Versicherter). Dieser verstarb nach einer Tumorerkrankung Oktober 2005.
Mit Rentenantrag vom 18. Oktober 2005 begehrte die Klägerin von der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente. Zu dem Antrag legte die Klägerin der Beklagten neben der Heiratsurkunde vom ... Mai 2005 und der Sterbeurkunde vom ... Oktober 2005 ein Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 22. März 2005 und eine Lohnbescheinigung der Autohaus D. GmbH vom 15. November 2005 vor.
Ausweislich des Urteils des Amtsgerichts Rostock vom 22. März 2005 wurde die vorherige Ehe des Versicherten an diesem Tage geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde gemäß § 628 Nr. 4 ZPO a.F. (jetzt: § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG) abgetrennt. Das Amtsgericht hat dies damit begründet, dass der Versicherte an einem schweren Bronchialkarzinom leide. Im Hinblick auf den gesundheitlichen Zustand des Versicherten sowie die mit dem Scheidungsverfahren verbundenen psychischen Belastungen sei eine Abtrennung wegen schwerer Härte geboten gewesen.
Nach einer Lohnbescheinigung der Autohaus D. GmbH vom 15. November 2005 war die Klägerin dort seit September 2004 beschäftigt. Ihr Bruttoarbeitsentgelt betrug im Oktober 2005 2.200,24 € von September 2004 bis Dezember 2004 insgesamt 8.125,00 € und von Januar 2005 bis Oktober 2005 insgesamt 23.932,43 €. Das von der Klägerin voraussichtlich von November 2005 bis Dezember 2005 erzielte Bruttoarbeitsentgelt wurde mit insgesamt 4.400,00 € angegeben.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe und die Annahme einer Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2 a SGB VI nicht widerlegt sei.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 13. Februar 2006. Zur Begründung trug sie vor, dass der Versicherte sich von seiner früheren Ehefrau bereits am 23. Januar 2004 getrennt habe und bereits im August 2004 zu ihr in ihr Haus gezogen sei. Seither habe eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen ihnen bestanden. Eine frühere Heirat sei jedoch objektiv unmöglich gewesen, weil der Verstorbene erst habe geschieden werden müssen. Die Rechtskraft der Scheidung sei erst am 22. März 2005 eingetreten. Die Vermutung einer Versorgung könne in ihrem Fall bereits deshalb nicht greifen, weil die Klägerin aufgrund ausreichenden eigenen Einkommens auf eine Versorgung durch den Verstorbenen nicht angewiesen sei. Sie habe im April 2005 über ein Einkommen in Höhe von 1.435,31 € netto und im Mai 2005 in Höhe von 2.044,84 € netto verfügt, wozu die Klägerin entsprechende Gehaltsbescheinigungen beifügte. Demgegenüber habe der Versicherte zu dieser Zeit lediglich Krankengeld von netto 852,90 € monatlich bezogen, wozu die Klägerin eine entsprechende Bescheinigung der BKK vom 17. August 2004 beifügte. Davon habe der Versicherte noch monatlich 223,00 € Kindesunterhalt zahlen müssen.
Die Tumorerkrankung des Versicherten sei erstmals im Juli 2004 diagnostiziert worden. Der Versicherte habe eine Chemotherapie mit fünf Zyklen durchlaufen. Danach habe sich der Zustand deutlich gebessert. Der Versicherte habe mit der Klägerin in der Zeit ab dem 19. August 2005 einen zweiwöchigen Urlaub an der polnischen Ostseeküste verbracht. Ein weiterer gemeinsamer Urlaub sei als Schiffsreise auf der „Aida„ für Januar 2006 geplant gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01. März 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. März 2007 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung wiederholt und vertieft. Sie und der Versicherte hätten die Hoffnung gehegt, ein normales Leben weiterführen zu können. Zu keiner Zeit sei ihnen bewusst gewesen, dass das Leben des Versicherten so schnell enden könnte. Die unmittelbare Todesursache sei im Übrigen eine akute Lungenembolie gewesen und nicht das zuvor vorhandene Bronchialkarzinom. Nach alledem sei es weder der alleinige noch der überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorg...