Entscheidungsstichwort (Thema)

Schiedsamtsentscheidung. Überprüfung durch Gericht. Anpassung der Gesamtvergütung in 2002. Vergütung von verschiedenen Leistungen außerhalb der vereinbarten Gesamtvergütung

 

Orientierungssatz

1. Ein Schiedsamt hat bei einer Festsetzung von Gesamtverträgen über die vertrags(zahn)ärztliche Vergütung einen Gestaltungsspielraum. Seine Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter. Dementsprechend sind sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. In formeller Hinsicht wird geprüft, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und sein Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (Anschluss an zuletzt BSG vom 19.7.2006 - B 6 KA 44/05 R = SozR 4-2500 § 88 Nr 1 stRspr).

2. Zur Rechtmäßigkeit einer Schiedsamtsentscheidung, wenn sie für das Jahr 2002 die Gesamtvergütung um 1,8 % angepasst und außerhalb der vereinbarten Gesamtvergütung verschiedene Leistungen ausgedeckelt hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.06.2010; Aktenzeichen B 6 KA 4/09 R)

 

Tenor

Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 30. November 2005 werden zurückgewiesen.

Die Berufungskläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Gesamtvergütung für das Jahr 2002.

Nachdem Verhandlungen der Kläger mit der Beigeladenen über die Gesamtvergütung 2002 ohne abschließendes Ergebnis geblieben waren, erklärten die Kläger die Verhandlung für gescheitert und riefen mit Schreiben vom 14. Juni 2002 das beklagte Landesschiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung an. Mit Schreiben vom 14. August 2002 begründeten die Kläger ihren Antrag. Sie vertraten die Auffassung, dass unter Berücksichtigung der äußerst angespannten Finanzsituation der Ersatzkassen, die im Bereich der neuen Bundesländer insgesamt mit einem Defizit von 285 Mio DM (VdAK) und 10,1 Mio DM (AEV) abgeschlossen hätten (nach Auswertung KV 45) und unter Berücksichtigung der Belastungen durch den Risikostrukturausgleich (RSA) nur eine Absenkung der Gesamtvergütung im Jahre 2002 in Frage komme.

Der RSA sei nach der vom Bundesversicherungsamt im Schreiben vom 15. März 2002 vertretenen Auffassung auch bei der Festsetzung der Gesamtvergütung zu berücksichtigen. Dies habe auch das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 22. Mai 2002 (L 1 KA 13/00) so entschieden.

Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Ersatzkassen wesentlich höhere Gesamtvergütungen für die Versorgung der Patienten zahlten als die Primärkassen. Im Ergebnis erzielten die Ärzte durch die Behandlung von Ersatzkassenmitgliedern deutlich höhere Punktwerte. Trotz höheren Leistungsbedarfes bei budgetierter Vergütung sei es nicht zu einem Verfall der Punktwerte gekommen. Es sei eine Angleichung der Leistungsausgaben im Sinne gleiches Geld für gleiche Leistung anzustreben. Der Leistungsbedarf in Punkten je Fall sei in Mecklenburg-Vorpommern mit 953,43 je Fall der höchste in den neuen Bundesländern und übersteige den Durchschnitt Ost (734,92) und den Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland (853,30). Gleichwohl sähen die Ersatzkassen die Notwendigkeit, bestimmte Leistungsbereiche, z.B. das ambulante Operieren, zu fördern bzw. neue in den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommene Leistungen, soweit dies den Bundesempfehlungen entspreche, außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung zu vergüten.

Als Inhalt der vertraglichen Regelung wurde vorgeschlagen, als Ausgangsbetrag der Gesamtvergütung von dem Betrag für die entsprechenden Quartale des Jahres 2001 auszugehen, diese jedoch zu vermindern um 5% zur Angleichung der Vergütung an die RSA-adäquaten Ausgaben (Ziffer 2.2.1 a), vermindert um die im IV. Quartal 2001 abgerechneten Leistungen für ambulante Operationsleistungen mit Zuschlagspositionen und Anästhesieleistungen (2.2.1 b). Nach dem Vorschlag der Kläger hätten außerhalb der Gesamtvergütung die vertragsärztlichen Leistungen nach den §§ 25 und 26 SGB V einschließlich der Jugendgesundheitsuntersuchung, die ärztlichen Leistungen im Rahmen der von den Krankenkassen satzungsgemäß übernommenen Schutzimpfungen sowie die vertragsärztlichen Leistungen bei der Substitutionsbehandlung der Drogenabhängigkeit mit einem Punktwert von 4,1% vergütet werden sollen (2.4.2). Kosten für aufgezählte ambulant durchgeführte Operationen mit Zuschlagspositionen und...

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