Entscheidungsstichwort (Thema)
Schiedsamtsentscheidung. gerichtliche Kontrolle. erwirtschaftete Minderausgaben. Steigerung der Veränderungsrate. keine Verletzung des Gleichheitssatzes bei abweichender Veränderungsrate in anderem Kassenbereich
Orientierungssatz
1. Schiedssprüche im Vertragsarztrecht unterliegen nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle (vgl BSG vom 19.7.2006 - B 6 KA 44/05 R = SozR 4-2500 § 88 Nr 1).
2. Die Gesamtvergütung ist nicht zwingend um 3 vH zu erhöhen, wenn in diesem Umfang Minderausgaben iS des Art 3 WOrtPrG (juris: ArztWohnortG) erwirtschaftet worden sind.
3. Ein Schiedsamt darf bei der Erwägung, in welchem Umfang erwirtschaftete Minderausgaben zu einer Steigerung der Veränderungsrate nach Art 3 WOrtPrG ausgenutzt werden sollten, auch die Vorschrift des § 222 Abs 4 SGB 5 berücksichtigen und sich von dem Auftrag des Gesetzes leiten lassen, nach dem die Krankenkassen verpflichtet sind, einerseits die Gründe für die bisherige Verschuldung innerhalb von 5 Jahren zu beseitigen und andererseits die Darlehen innerhalb von längstens 10 Jahren zurückzuzahlen.
4. Ein Schiedsamt verletzt nicht den Gleichheitssatz des Art 3 GG, wenn es für den Bereich der Ersatzkassen eine abweichende Veränderungsrate nach Art 3 WOrtPrG festgesetzt hat.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 18. April 2007 wird zurückgewiesen.
Die Berufungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang die Vereinbarung über die Gesamtvergütung der vertragsärztlichen Leistungen für die Zeit vom 01.01.2004 bis 31. Dezember 2004 nach Art. 3 des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte vom 01. Dezember 2001 (WOrtPrG) zu verändern ist.
Für das Jahr 2002 ist durch Beschluss des beklagten Landesschiedsamtes vom 27. Januar 2003 ausgehend von der Gesamtvergütung für das Jahr 2001 der Betrag der Gesamtvergütung 2002 angepasst worden unter Berücksichtigung eines Steigerungsbetrages von 0,50% nach Art. 3 WOrtPrG. Insoweit ist der Schiedsspruch durch das Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern mit Bescheid vom 07. Mai 2003 beanstandet worden. Die gegen den Beanstandungsbescheid erhobenen Klagen der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KV) und der AOK Mecklenburg-Vorpommern (AOK) sind aufgrund einer im Rahmen der Vergütungsverhandlungen für 2003 geschlossenen Vereinbarung zurückgenommen worden. Als Teil der Vereinbarung zur Gesamtvergütung 2003 wurde am 1. Juli 2003 zwischen der KV und der AOK eine Vereinbarung geschlossen, die in § 4 bestimmte, dass die budgetierte Gesamtvergütung für die Zukunft dauerhaft um die in 2002 für das Modellvorhaben Diabetes-Gesundheitsmanagement geplanten Ausgaben in Höhe von 1.789.500,- € angehoben werde. § 6 der Vereinbarung lautet: "Das nach § 4 dieser Vereinbarung vereinbarte Volumen in Höhe von 1.789.500,- € wird nach Art. 3 des Gesetzes zur Einführung des Wohnortsprinzips vom 11.12.2001 entsprechend angerechnet." Dieser Steigerungsbetrag entsprach rund 1,11% der vereinbarten Gesamtvergütung für 2003.
In der Vereinbarung über die Gesamtvergütung 2004 vom 25.08.2004 ist zu Ziffer 20 bestimmt: "Die Vertragsparteien vereinbaren bis 15.10.2004 die Kriterien zur Umsetzung des Art. 3 des Gesetzes zur Einführung des Wohnortsprinzips für das Jahr 2004 im Rahmen einer Protokollnotiz zu dieser Vereinbarung." Nachdem eine Einigung zur angestrebten Protokollnotiz nicht erreicht worden war, rief die KV mit Schreiben vom 8. Dezember 2004 das Landesschiedsamt an. Die KV vertrat die Auffassung, dass nach Art. 3 des WOrtPrG die Gesamtvergütung um drei Prozentpunkte zu erhöhen sei. Der Vergleich der Quartale I bis IV 2003 mit den Quartalen I - IV 2004 auf der Basis des Vordrucks KV 45 ergebe für die Ortskrankenkassen Einsparungen für die Bereiche Arzneimittel - 11,3%
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Hilfsmittel |
- 13,7% |
Heilmittel |
- 10,1% |
Krankenhausbehandlung |
- 0,8% |
Krankengeld |
- 6,7% |
Häusliche Krankenpflege |
- 1,1% |
Es sei festzustellen, dass all diese Leistungsbereiche maßgeblich durch die Vertragsärzte beeinflusst würden. Die erwirtschafteten Einsparungen seien somit als Minderausgaben im Sinne des WOrtPrG anzusehen, evtl. Einsparungen, die auf die Folgen des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GMG) verursacht worden seien, seien unbeachtlich, da dieses Gesetz nach dem WOrtPrG in Kraft getreten sei, ohne dass dieses entsprechende Ausschlussregelungen in Bezug auf Art. 3 WOrtPrG vorsehe.
Die erwirtschafteten Einsparungen ergäben für die Ortskrankenkassen der neuen Bundesländer für die Quartale I - III 2004 einen Betrag der Minderausgaben in Höhe von insgesamt 81,8 Mio €. Hochgerechnet von 109,1 Mio € jährlich. Entsprechend der Zahl der Versicherten ergebe sich für die AOK Mecklenburg-Vorpommern ein Anteil der Minderausgaben von 11,5% un...