Entscheidungsstichwort (Thema)
Landesschiedsamt. Schiedsspruch. Vereinbarung über Gesamtvergütung. Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips. Überschreitung der Veränderungsrate. Nichtgefährdung der Beitragssatzstabilität. Festsetzung einer geringeren Veränderungsrate
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen für eine Überschreitung der Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 SGB 5 nach Art 3 S 1 ArztWohnortG, insbesondere einer Nichtgefährdung der Beitragssatzstabilität ("und insoweit").
2. Auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Überschreitung der Veränderungsrate nach Art 3 ArztWohnortG an sich vorliegen, kann das Landesschiedsamt beurteilungsfehlerfrei in Ausübung seiner Vertragsgestaltungsfreiheit wegen der Verschuldenssituation der betroffenen Krankenkasse und deren gesetzlicher Verpflichtung zum Schuldenabbau eine niedrigere Veränderungsrate festsetzen.
Nachgehend
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen.
Tatbestand
Die KÄV M-V (Klägerin zu 1)) und die ... (Klägerin zu 2)) wenden sich gegen den Schiedsspruch des beklagten Landesschiedsamtes für die vertragsärztliche Versorgung in M-V vom 08. April 2005 zur Umsetzung des Art. 3 des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips (WOrtPrG) für das Jahr 2004.
Unter dem 25. August 2004 schlossen die Kläger eine Vereinbarung über die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 als Anlage 1 zum Gesamtvertrag nach § 83 SGB V. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertragstext Bezug genommen. Unter Ziff. 20 sieht die Vereinbarung vor, dass die Vertragsparteien bis zum 15. Oktober 2004 die Kriterien zur Umsetzung des Art. 3 WOrtPrG für das Jahr 2004 im Rahmen einer Protokollnotiz zu dieser Vereinbarung vereinbaren.
Art. 3 WOrtPrG lautet:
Bei der Vereinbarung der Gesamtvergütung nach § 85 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch für die Jahre 2002 bis 2004 soll die Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in dem in Artikel 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages genannten Gebiet um jährlich bis zu drei Prozentpunkte, insgesamt jedoch höchstens sechs Prozentpunkte, überschritten werden, sofern in dem genannten Zeitraum die damit verbundenen Mehrausgaben durch Minderausgaben bei den Leistungen von Krankenkassen und Leistungserbringern in dem jeweiligen Land erwirtschaftet werden und insoweit die Beitragssatzstabilität durch die Erhöhung nicht gefährdet wird. Die Vertragsparteien der Gesamtverträge nach § 83 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vereinbaren die Kriterien sowie das Verfahren zur Feststellung der Ausgabenreduktionen nach Satz 1.
Nachdem die Beteiligten über eine Veränderungsrate sich nicht haben einigen können, riefen sie den Beklagten an. Dieser fasste, nachdem die Beteiligten ihre gegenläufigen Positionen schriftsätzlich ausgetauscht hatten, aufgrund mündlicher Verhandlung am 08. April 2005 folgenden Beschluss:
1. Zur Umsetzung des Artikel 3 des WOrtPrG wird in Abhängigkeit zu den erzielten Einsparungen die budgetierte Gesamtvergütung (D 99-90-97) in 2004 wie folgt basiswirksam angepasst: Für Ausgabenreduktionen im Bereich der Arznei- und Verbandmittel größer als 6,5 vH erhöht sich die Gesamtvergütung um die Reduzierungsquote bis zum Höchstsatz von 1,5 vH.
2. Die Ausgabenreduktion im Bereich der Arznei- und Verbandmittel für das Jahr 2004 werden durch den Vergleich der Ist-Kosten des Jahres 2003 der AOK M-V je Mitglied mit den Ist-Kosten des Jahres 2004 der ... je Mitglied auf Basis der Jahresrechnung KJ 1 festgestellt.
3. Die ... stellt die Daten nach Ziffer 2 bis zum 30. Juni 2005 zur Verfügung.
In der Begründung legte der Beklagte u.a. dar, dass ein Überschreiten der Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 SGB V gestützt auf Art. 3 WOrtPrG nur dann zulässig sei, wenn die Minderausgaben von den Krankenkassen und Leistungserbringern "erwirtschaftet" worden seien. Das Schiedsamt habe sich hier der Auffassung der ... angeschlossen, dass die durch das GMG erzielten Einsparungen nicht von ... und KÄV M-V erwirtschaftet seien. Erwirtschaften setze ein eigenständiges Tun voraus, was über die Umsetzung beschlossener Gesetze hinausgehe. Für die Beurteilung des Vorliegens von Minderausgaben vertrat der Beklagte die Auffassung, dass hier nur ein Vergleich von 2003 und 2004 vorzunehmen sei. Hätte der Gesetzgeber ausschließlich auf eine Betrachtung des Gesamtzeitraumes (2002 bis 2004) abgestellt, hätte er nicht sinnvoll regeln können, dass in den Jahren 2002, 2003 und 2004 jeweils eine Umsetzung im Umfang von bis zu 3,0 vH möglich wäre. Nach Auffassung des Beklagten sei nur für den Bereich der Arznei- und Verbandmittel plausibel die durch gesetzliche Regelungen des GMG bewirkten Effekte auf die Ausgaben von dem Effekt der Erwirtschaftung durch Krankenkassen und Leistungserbringer zu trennen. Für diesen Bereich liege eine Rahmenvereinbarung auf Bundesebene zugrunde, die den G...