Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufschiebende Wirkung des Widerspruchs. einstweilige Anordnung
Orientierungssatz
1. Ausgehend von der Subsidiaritätsklausel des § 123 Abs 5 VwGO gilt insoweit, daß sich vorgezogener Rechtsschutz vorrangig in den Formen des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 97 Abs 2 bis 4 SGG, 80 Abs 5 VwGO analog vollzieht, wenn die Rechtsposition des Betroffenen durch einen belastenden Verwaltungsakt nachteilig verändert worden ist, während in allen anderen Fällen, insbesondere dann, wenn die Erweiterung der bestehenden Rechtsposition erstrebt wird, in den Formen des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs 1 VwGO analog vorzugehen ist.
2. Kommt dem Widerspruch aufschiebende Wirkung zu, ist der weitergehende Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht geboten. Allerdings kommt er namentlich auch gegenüber einer Behörde in Betracht, die die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs mißachtet, indem sie einen belastenden Verwaltungsakt trotz mangelnder Vollziehbarkeit gegenüber dem Betroffenen umsetzt (sog faktische Vollziehung). Hinreichende Anhaltspunkte für eine solche Vorgehensweise liegen in der Regel erst dann vor, wenn das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs festgestellt hat und die Behörde gleichwohl an dem eingeschlagenen Weg der sofortigen Vollziehung festhält.
Tatbestand
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller mit Bescheid vom 21. Dezember 1990 laufendes vorzeitiges Altersgeld wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) bewilligt. Mit dem vorliegenden Antragsverfahren begehrt der Antragsteller, die Antragsgegnerin zu veranlassen, dieses inzwischen eingestellte Altersgeld über den 30. November 1996 hinaus vorläufig weiter zu zahlen.
Aufgrund von Anhaltspunkten, daß der Antragsteller auch nach der Bewilligung vorzeitigen Altersgeldes weiterhin landwirtschaftliche Flächen bewirtschafte, stellte die Antragsgegnerin ihre laufenden Zahlungen mit formlosem Schreiben vom 18. November 1996 zum 30. November 1996 ein, hob mit Bescheid vom 24. Februar 1997 ihren Bewilligungsbescheid vom 21. Dezember 1990 rückwirkend auf und forderte zugleich die in der Zeit von November 1990 bis März 1996 gezahlten Beträge zurück. Mit weiterem Bescheid vom 13. Mai 1997 forderte sie unter erneuter Änderung der Bewilligung auch das in der Zeit von April bis November 1996 geleistete Altersgeld zurück.
Der Antragsteller hat hiergegen mit Schreiben bzw. Fax vom 4. Dezember 1996, 27. Februar 1997 und 16. Mai 1997 jeweils Widerspruch erhoben und mit Antrag vom 8. Januar 1997 bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluß vom 29. April 1997 hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegnerin abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 9. Mai 1997 eingelegten Beschwerde.
Der Antragsteller macht geltend, das Verhalten der Antragsgegnerin beraube ihn seiner Existenz. Wenn sich seine wirtschaftliche Situation nicht kurzfristig kläre, würden die Gläubiger das noch vorhandene Vermögen verwerten.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Einstellung des vorzeitigen Altersgeldes aufzuheben und es über den 30. November 1996 laufend weiter auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Beschluß des SG Oldenburg.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Rentenakten der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Beratung und Beschlußfassung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Feststellung, daß die vom Antragsteller im Zusammenhang mit der Einstellung seines vorzeitigen Altersgeldes erhobenen Widersprüche aufschiebende Wirkung entfalten.
Das System des vorläufigen und einstweiligen Rechtsschutzes, dessen Grundzüge durch Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich vorgegeben sind, hat für den Bereich des sozialgerichtlichen Verfahrens in §§ 86 u. 97 SGG keine abschließende Regelung gefunden. Ergänzend sind deshalb §§ 80 Abs. 5, 123 Abs. 1 VWGO in analoger Anwendung heranzuziehen. Dies gilt auch hinsichtlich der Grundsätze, nach denen abzugrenzen ist, ob dem Interesse des Bürgers (Versicherten) an einem der Entscheidung zur Hauptsache vorausgehenden Rechtsschutz in den Formen des einstweiligen (§ 123 Abs. 1 VWGO) oder des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 80 Abs. 5 VWGO) zu genügen ist. Ausgehend von der Subsidiaritätsklausel des § 123 Abs. 5 VWGO gilt insoweit, daß sich vorgezogener Rechtsschutz vorrangig in den Formen des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 97 Abs. 2 bis 4 SGG, 80 Abs. 5 VWGO analog vollzieht, wenn die Rechtsposition des Betroffenen durch einen belastenden Verwaltungsakt nachteilig verändert worden ist, während in allen anderen Fällen, insbesondere dann, wenn die Erweiterung der bestehenden Rechtsposition erstrebt wird, in den Formen des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VWGO analog vorzugehen ist (vgl. Kopp, VWGO, 10. Aufl. 1...