Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtbarkeit der aufschiebenden Wirkung der Klage

 

Leitsatz (amtlich)

Die Feststellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage durch das Sozialgericht kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Dabei ist unerheblich, ob die Entscheidung des Sozialgerichts auf § 97 Abs 2 SGG oder auf eine entsprechende Anwendung von § 80 Abs 5 VwGO gestützt wird.

 

Tatbestand

Die Klägerin und Antragstellerin (im folgenden: Ast) vertreibt in der gesamten Bundesrepublik Deutschland Inkontinenzhilfen (ua saugende Vorlagen und Höschenwindeln unter den Markenbezeichnungen "Moliform", "Molimed", "Molimea", "Molicare" und "Molipants", mit denen sie in allen maßgeblichen Produktkategorien vertreten ist).

Die Ast wendet sich mit ihrer am 22. Oktober 1998 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage gegen die Festsetzung von Festbeträgen von Inkontinenzhilfen. Die von den Antragsgegnern (im folgenden: Ag) festgesetzten Festbeträge für Inkontinenzhilfen wurden durch "Bekanntmachung über die Festsetzung der Festbeträge für Inkontinenzhilfen nach § 36 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)" vom 26. August 1998 im Bundesanzeiger (BAnz) Nr 174 vom 17. September 1998, Seite 13860 bekannt gemacht. Die Ast hat am 6. November 1998 vor dem SG beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Der Antrag sei im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichtes (BSG) -- ua Beschluss vom 14. Juni 1995 -- 3 RK 20/94 -- an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geboten.

Das SG hat mit Beschluss vom 5. Januar 1999 die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. Oktober 1998 (Rechtsstreit vor dem SG Hannover -- S 2 KR 307/98 --) festgestellt.

Gegen diesen ihr am 11. Januar 1999 zugestellten Beschluss hat die Ag zu 1) am 21. Januar 1999 Beschwerde vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt.

Die Ag zu 1) beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 5. Januar 1999 aufzuheben.

Sie hält die Beschwerde entgegen den Ausführungen des SG für zulässig und im übrigen für begründet.

Die Ag zu 2) hat sich der Auffassung der Ag zu 1) angeschlossen, jedoch keinen Antrag gestellt.

Die übrigen Ag haben sich nicht geäußert und ebenfalls keinen Antrag gestellt.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakten und der von den Beteiligten überreichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde der Ag zu 1) ist unzulässig.

Die Entscheidung des SG kann in entsprechender Anwendung von § 97 Abs 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur mit der Entscheidung in der Hauptsache angefochten werden.

Gegen die Entscheidungen der SG mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das LSG statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist (§ 172 Abs 1 SGG). Eine solche Ausnahmeregelung trifft § 97 Abs 2 Satz 4 SGG. Danach kann die vom SG angeordnete Aussetzung des Vollzuges des angefochtenen Verwaltungsaktes nur mit der Entscheidung in der Hauptsache angefochten werden; sie ist also -- unter Vorbehalt der jederzeitigen Aufhebung durch das SG (§ 97 Abs 2 Satz 3 SGG) -- bis zum Erlass des in der selben Sache ergehenden Urteils endgültig.

Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass es dabei unerheblich ist, ob die einen Aussetzungsantrag oder einem Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage stattgebende Entscheidung des SG auf § 97 Abs 2 SGG oder auf eine entsprechende Anwendung von § 80 Abs 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestützt wird. Diese Auslegung gebietet der in § 97 Abs 2 Satz 4 SGG liegende Rechtsgedanke; sie entspricht der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur (vgl Beschluss des Senats vom 11. Mai 1998 -- L 4 B 235/97 KR -- unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 16. Juli 1997 -- L 4 KR 61/97 ER -- mit den dort angegebenen Nachweisen).

Der Gesetzgeber wollte in Anfechtungssachen dem Betroffenen kurzfristig erreichbaren, wirksamen Rechtsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschaffen, dessen Wirksamkeit wesentlich beeinträchtigt wäre, wenn die Entscheidung des Gerichts angefochten werden könnte und die Gewährung des Rechtsschutzes hinausgezögert werden würde. Dieser Grundsatz gilt stets dann, wenn die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Anfechtungssachen zulässig und geboten ist. Es wäre nicht einzusehen, innerhalb des sozialgerichtlichen Verfahrens bei der Beschwerdefähigkeit erstinstanzlicher Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Anfechtungssachen danach zu unterscheiden, ob es sich um einen in § 97 SGG ausdrücklich genannten Verwaltungsakt handelt. Wenn schon die Ausdehnung des vorläufigen Rechtsschutzes über § 97 SGG hinaus erforderlich ist -- woran nach dem Beschluss des BVerfG (BVerfGE 46, 166 ff) in Vornahmesachen, aber auch in Anfechtungssachen kein Zweifel mehr besteht -- muss diese Ausdehnung auch der Regelung über den R...

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