Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufschiebende Wirkung der Klage. Anwendung. Beanstandungsbescheid. Aufsichtsbehörde. Beginn. Beanstandungsfrist. Schiedsamtsentscheidung. Vorrangstellung. Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Veränderung. Gesamtvergütung Vertragszahnarzt. Empfehlung. Konzertierte Aktion. Ersatzkassenbereich
Leitsatz (amtlich)
1. § 97 Abs 1 Nr 6 SGG ist auf einen Beanstandungsbescheid der Aufsichtsbehörde nach § 89 Abs 5 S 5 SGB 5 entsprechend anwendbar.
2. Für den Beginn der 2-monatigen Beanstandungsfrist des § 89 Abs 5 S 5 SGB 5 ist auf die Vorlage der Schiedsamtsentscheidung durch das Schiedsamt abzustellen. Die Vorlage der Entscheidung durch die Vertragspartner berührt den Lauf der Beanstandungsfrist nicht; sie kann allerdings unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben maßgeblich sein.
3. Zur Vorrangstellung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität bei der Vereinbarung der Veränderung der Gesamtvergütung.
4. Zur Bedeutung der Empfehlungen der Konzertierten Aktion bei der Vereinbarung der Veränderung der Gesamtvergütung.
5. Zur Unzulässigkeit der Bestimmung der Gesamtvergütung im Ersatzkassenbereich unter Berücksichtigung von Bundesverhältnissen seit dem 1.1.1993.
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine aufsichtsbehördliche Beanstandung.
Das Landesschiedsamt Niedersachsen für die vertragszahnärztliche Versorgung traf mit Beschluß vom 4. Juli 1997 im Ersatzkassenbereich ua folgende Festsetzungen:
"1. Die Punktwerte für die Zeit ab 01.01.96 werden im Rahmen einer Einzelleistungsvergütung wie folgt festgesetzt:
a) Gebührentarife A, B, E Vdak 1,6406 AEV 1,5257 GEK 1,5884
b) Gebührentarif C VdAK 1,4327 AEV 1,3316 GEK 1,3886
c) Gebührentarif D VdAK 1,4355 AEV 1,3359 GEK 1,3922"
Mit Schreiben vom 15. September 1997 überbrachte die Antragstellerin dem Antragsgegner den Schiedsspruch vom 4. Juli 1997 per Boten. Das Landesschiedsamt legte die vorgenannte Entscheidung dem Antragsgegner - nach Aufforderung durch diesen am 19. September 1997 - mit Schreiben vom 22. September 1997, eingegangen am 23. September 1997, vor.
Die Beigeladenen dieses Verfahren haben am 21. Oktober 1997 vor dem Sozialgericht Hannover den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung ihrer im September 1997 erhobenen Klage gegen die Schiedsamtsentscheidung vom 4. Juli 1997 anzuordnen. Das Sozialgericht hat diesem Antrag mit Beschluß vom 8. Dezember 1997 - S 31 KA 727/97 eR - stattgegeben. Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Antragstellerin dieses Verfahrens und des Landesschiedsamtes Niedersachsen hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 15. April 1998 verworfen - L 5 KA 4/98 ER -.
Mit an das Landesschiedsamt gerichtetem Bescheid vom 24. November 1997 beanstandete der Antragsgegner Ziffer 1 des Beschlusses vom 4. Juli 1997 gem § 89 Abs 5, 71 SGB V iVm 83 Abs 1 und 85 SGB V. Gleichzeitig ordnete er die sofortige Vollziehung der Beanstandung gem § 97 Abs 1 Nr 6 SGG an. Antragstellerin und Beigeladene erhielten den Beanstandungsbescheid nachrichtlich. Mit der Beanstandung rügte der Antragsgegner, daß der Schiedsspruch entgegen den gesetzlichen Vorgaben den Grundsatz der Beitragsstabilität nicht beachte. Diesem komme Vorrang vor den in § 72 Abs 2 SGB V und § 85 Abs 3 Satz 1 SGB V genannten Kriterien zu. Gegen den Grundsatz der Beitragsstabilität sei bereits verstoßen, wenn der Vertrag nicht auf die Vermeidung einer Beitragssatzerhöhung ausgerichtet sei. Dies treffe auf den angefochtenen Schiedsspruch zu. In diesem Zusammenhang hat der Antragsgegner auch beanstandet, daß das Landesschiedsamt in den Gebührentarifen A, B und E in Abweichung von dem Vorbringen der Beigeladenen ohne Begründung eine mitgliederbereinigte Mengenentwicklung von nur 3 % anstatt von 5,4 % festgestellt hat. Darüber hinaus hat der Antragsgegner gerügt, daß die Entscheidung den Empfehlungen der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen widerspricht, das Landesschiedsamt im Rahmen seiner Festsetzungen ohne Begründung von einer Entwicklung der Praxiskosten von 3 % ausgegangen ist und sich bei der Bestimmung der Punktwerte an dem Bundesdurchschnitt der zahnärztlichen Punktwerte für die Ersatzkassen orientiert hat. Das ihm gem § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V zustehende Ermessen übe er, der Antragsgegner, dahingehend aus, daß bei so gravierenden Fehlern und einer derartigen Fehlbeurteilung grundlegender Rechtsprinzipien eine Beanstandung der Entscheidung vorgenommen werde. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertige sich aus einem überwiegenden öffentlichen Interesse.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 25. November 1997 Klage vor dem Sozialgericht Hannover erhoben - Az: S 21 KA 855/97 - und gleichzeitig den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen folgendes geltend gemacht:
Die Beanstandung sei schon deswegen rechtswidrig, weil sie nicht gem § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V innerhalb von 2 Monaten nach Vorlage erfolgt sei. Der Schiedsspruch sei dem Antragsgegner am 1...