Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluß der Entschädigung oder Vergütung bei Vereitelung der Beweisaufnahme
Leitsatz (amtlich)
Nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben besteht kein Entschädigungsanspruch für einen Zeugen oder einen Kläger, wenn er die Durchführung der Beweisaufnahme schuldhaft vereitelt hat. Denn wer Aufwendungen für die Durchführung einer Beweisaufnahme geltend macht, deren Erfolg er schuldhaft verhindert hat, verstößt gegen das Gebot des venire contra factum proprium.
Tatbestand
Zwecks Erstellung eines Gutachtens wurde der Kläger am 18. November 1998 um 13.30 Uhr zur Untersuchung bei dem Sachverständigen Dr C einbestellt. Nach einer Wartezeit von einer halben bis dreiviertel Stunde sah er sich außerstande, den Termin wahrzunehmen. An dem daraufhin vereinbarten Termin vom 26. November 1998 musste der Kläger ebenfalls eine halbe Stunde warten und nahm deshalb auch diesen Termin nicht wahr.
Mit Schreiben vom 24. Mai 1999 hat der Kläger den Antrag auf Erstattung der Fahrkosten für beide Termine gestellt. Er sei Neuunternehmer. Daher sei es ihm unzumutbar, so lange Wartezeiten in Kauf zu nehmen. Dr C habe ihm nicht einmal sagen können, wie lange er noch hätte warten müssen.
Mit Verfügung vom 16. Juni 1999 hat der Kostenbeamte des Sozialgerichts (SG) Osnabrück den Antrag abgelehnt. Mit Beschluss vom 2. Juli 1999 hat das SG die hiergegen erhobene Erinnerung zurückgewiesen. Dem Kläger seien die Wartezeiten zuzumuten gewesen.
Der Kläger hat am 27. Juli 1999 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Nach § 191 Sozialgerichtsgesetz -SGG- erhalten Beteiligte, deren persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag Vergütung für Auslagen und Zeitverlust in gleicher Weise wie Zeugen. Dem Kläger war durch die Beweisanordnung vom 16. Oktober 1998 aufgegeben worden, der Aufforderung des Sachverständigen zur Untersuchung Folge zu leisten. Sein Erscheinen dort beruhte auf gerichtlicher Anordnung. Der Antrag auf richterliche Festsetzung ist deshalb nach § 16 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen -ZSEG- zulässig.
Der Antrag ist aber unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten für die Termine am 18. und 26. November 1998 zusteht.
Das ZSEG enthält keine Vorschrift über den Ausschluss der Entschädigung, wenn ein Zeuge oder Kläger die Beweisaufnahme vereitelt. Nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben ist ein Entschädigungsanspruch aber dann zu versagen, wenn ein Zeuge oder ein Kläger die Durchführung der Beweisaufnahme schuldhaft vereitelt (vgl hierzu Meyer/Höver/Bach, ZSEG 19. Aufl., § 1 Rdnr 29). Denn wer Aufwendungen für die Durchführung einer Beweisaufnahme geltend macht, deren Erfolg er schuldhaft verhindert hat, verstößt gegen das Gebot des venire contra factum proprium.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Begutachtung sowohl am 18. November 1998 als auch am 26. November 1998 verhindert, weil er bewusst und gewollt vorzeitig abgereist ist. Entgegen seiner Ansicht war es ihm jedoch zuzumuten, eine Wartezeit hinzunehmen, die über die Dauer von einer halben bis dreiviertel Stunde hinausging. Sein allgemeiner Hinweis auf seine Tätigkeit als Neuunternehmer vermag sein vorzeitiges Verlassen der Praxis des Sachverständigen nicht zu rechtfertigen. Vielmehr hätte es gerade bei einer großen Arbeitsbelastung nahegelegen, den Begutachtungstermin wahrzunehmen, um weitere zeitaufwendige Anfahrten zu einem neuen Begutachtungstermin zu vermeiden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Fundstellen
NZS 2000, 212 |
SGb 2000, 174 |