Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenkasse. einstweilige Anordnung. Genehmigung. Beitragserhöhung

 

Orientierungssatz

1. Zur Frage der Zulässigkeit einer einstweiligen Anordnung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (einer gesetzlichen Krankenkasse) beantragt wird.

2. Zur Frage der Genehmigung einer Beitragserhöhung im einstweiligen Anordnungsverfahren.

3. Bei Vornahmesachen ist vorläufiger gerichtlicher Rechtschutz jedoch nur zu gewähren, wenn ohne solchen schwere und unzumutbare, anders nicht anwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.

 

Tatbestand

Der Verwaltungsrat der Antragstellerin beschloß am 27. November 1996 den 11. Satzungsnachtrag, der in § 11 eine Erhöhung der Beiträge West und in § 11a eine Erhöhung der Beiträge Ost vorsieht. § 34 des 11. Satzungsnachtrags bestimmt, daß dieser am 1. Dezember 1996 in Kraft tritt. Mit Schreiben vom 19. Dezember 1996 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Hinweis auf Art 1 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (Beitragsentlastungsgesetz) darauf hin, daß sie zur Zeit keine Grundlage für eine Beitragssatzerhöhung sehe. In Abänderung dieses Schreibens genehmigte die Antragsgegnerin am 23. Dezember 1996 den 11. Satzungsnachtrag mit Ausnahme des § 11 und des § 11a Nr 5. Am 7. Januar 1997 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Braunschweig beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, § 11 des 11. Satzungsnachtrags zu genehmigen. Mit Beschluß vom 10. Januar 1997 hat das SG die Genehmigung des 11. Nachtrags der Satzung der Antragstellerin zu § 11 und § 34 vorläufig angeordnet. Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 13. Januar 1997 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.

Am 16. Januar 1997 genehmigte die Antragsgegnerin § 11 der Satzung der Antragstellerin in der Fassung des 11. Nachtrags mit Wirkung zum 1. Februar 1997.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozeßakte und der von der Antragstellerin überreichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde ist form- sowie fristgerecht eingelegt worden und auch im übrigen zulässig.

Sie ist zudem begründet.

Zwar können entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts um vorläufigen Rechtsschutz vor den Sozialgerichten nachsuchen. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977 - 2 BvR 42/76 - (E 46, 166) verlangt Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz, wenn ohne solchen schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Zwar sind die Krankenkassen keine Grundrechtsträger (BVerfGE 39, 302, 312 ff) und können sich insoweit nicht auf Art 19 Abs 4 GG berufen. In der Vorschrift findet jedoch ebenfalls das objektive Rechtsstaatsgebot seinen Ausdruck. Dieses enthält die Gewähr effektiven Rechtsschutzes auch für Rechtsgüter unterverfassungsrechtlichen Rangs (siehe Beschluß des erkennenden Senats vom 26. Juni 1996 - L 4 Kr 82/96 eR -). Damit steht vorläufiger Rechtsschutz auch den juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu, soweit diese keine Grundrechtsträger sind, zum Schutze ihrer durch einfaches Gesetz begründeten Rechte.

Die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes liegen jedoch nicht vor.

Schwere und unzumutbare Nachteile liegen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nur vor, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz eine konkrete Existenzgefährdung oder -vernichtung des Antragstellers glaubhaft droht (zB Beschluß vom 14. Mai 1996 - L 4 Kr 68/96 eR -).

Das Drohen eines derartigen Nachteils steht im vorliegenden Fall zur Überzeugung des Senats nicht fest.

Die Antragstellerin hat im Verfahren verschiedene Liquiditätsprognosen mit unterschiedlichen Ergebnissen unterbreitet. So geht etwa die Prognose auf Seite 9 der Antragsschrift davon aus, daß der Monat März 1997 mit einem Monatsplus von 96.592,-- DM abschließt und die negativen Erfolge der Monate Januar und Februar 1997, wenngleich nicht zeitnah, so doch irgendwann ausgleichbar sind, während auf Seite 10 der Antragsschrift eine Unterdeckung im Monat März 1997 in Höhe von 518.562,38 DM prognostiziert wird. Angesichts dieser möglichen unterschiedlichen Entwicklung läßt sich derzeit eine konkrete, dh akut und gegenwärtige Existenzgefährdung der Antragstellerin nicht bejahen.

Ein Beitragsmehrausfall für die Monate Dezember 1996 und Januar 1997 dürfte über die Betriebsmittel und die Rücklage finanzierbar sein. Bei einer Beitragserhöhung zum 1. Dezember 1996 hätten sich für die Antragstellerin nach ihrer Berechnung voraussichtliche mona...

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