Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswertfestsetzung. kassenärztliche Zulassungsstreitigkeit. vertragsärztliche Versorgung. wirtschaftliches Interesse
Orientierungssatz
1. Entgegen der Entscheidung des BSG hat der Senat bei der Schätzung der entgangenen Honorareinnahmen einer Kassenarztpraxis den Ansatz von regelmäßig nur drei Jahreseinnahmen für angemessen gehalten (entgegen BSG vom 14.11.1977 - 6 BKa 7/76 = SozR 1930 § 8 Nr 2; vgl LSG Celle vom 2.5.1985 - L 5 S (Ka) 28/84).
2. Auch für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren kommt es nicht auf den Zeitraum der anwaltlichen Tätigkeit, sondern auf das wirtschaftliche Interesse des Arztes an dem Verfahren an.
Tatbestand
Mit Beschluß vom 16. Juni 1986 hat das Sozialgericht den Gegenstandswert auf 105.000,-- DM festgesetzt. Hiergegen haben der jetzige und die früheren Prozeßbevollmächtigten des Klägers Beschwerden eingelegt. Der jetzige Prozeßbevollmächtigte hat die Festsetzung des Gegenstandswertes auf 487.500,-- DM, die früheren Prozeßbevollmächtigten auf 700.000,-- DM beantragt. Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben die Zurückweisung der Beschwerden beantragt. Das Sozialgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerden sind zulässig und zum Teil begründet.
Nach § 116 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 26. Juli 1957, BGBl I 907, in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 1982, BGBl I 2071, -- BRAGO -- werden in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auf Grund der Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen (Kassenarztrecht) die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet. Dabei gelten die Vorschriften des Dritten Absatzes sinngemäß (§ 116 Abs 2 Satz 2 BRAGO) sowie auch die allgemeinen Vorschriften des Ersten Abschnittes der BRAGO, mithin also § 8 BRAGO. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 BRAGO bestimmt sich der Gegenstandswert nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Sind für die Gerichtsgebühren jedoch keine Wertvorschriften vorgesehen, so bestimmt sich der Gegenstandswert nach Abs 2 des § 8 BRAGO (§ 8 Abs 1 Satz 3 BRAGO). Soweit sich der Gegenstandswert nicht aus Vorschriften der Kostenordnung ergibt (§ 8 Abs 2 Satz 1 BRAGO) und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert auf 4.000,-- DM, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht unter 300,-- DM und nicht über eine Million DM anzunehmen (§ 8 Abs 2 Satz 2 BRAGO). Wie das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluß vom 14. November 1977 -- 6 BKa 7/76 -- bereits entschieden hat, trifft letzteres für kassenärztliche Zulassungsstreitigkeiten zu, da insoweit keine der in § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGO aufgeführten Vorschriften der Kostenordnung anwendbar ist. Der Gegenstandswert ist im vorliegenden Verfahren somit nach billigem Ermessen zu bestimmen; dabei ist entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung (aaO) § 13 Gerichtskostengesetz in der Fassung vom 8. September 1981 (BGBl I 947) -- GKG -- ergänzend heranzuziehen, damit Abweichungen gegenüber vergleichbaren Verfahren möglichst vermieden werden.
Nach § 13 Abs 1 Satz 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei entspricht die Bedeutung der Sache für einen Kläger grundsätzlich seinem wirtschaftlichen Interesse an der Entscheidung und ihren Auswirkungen. Wirkt sich die Entscheidung auf einen längeren Zeitraum aus, so muß auch das gebührend berücksichtigt werden. Demzufolge hat es das BSG (aaO) in Anlehnung an die zivilrechtliche Rechtsprechung als angemessen erachtet, regelmäßig die schätzungsweise entgangenen Honorareinnahmen einer Kassenpraxis abzüglich der Praxiskosten (dh die Reineinnahmen) von etwa fünf bis zehn Jahren anzunehmen. Im Gegensatz zum Sozialgericht hat sich der erkennende Senat dem nicht angeschlossen. Er hat vielmehr in Einklang mit zahlreichen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur (vgl Wilde/Homann in NJW 1981, 1070, 1072 m Nachw) den Ansatz von regelmäßig nur drei Jahreseinnahmen für angemessen gehalten (vgl Beschlüsse vom 2. Mai 1985 -- L 5 S (Ka) 28/84 -- und vom 7. Februar 1986 -- L 5 Ka 25/83 --). Es ist kein Grund ersichtlich, im vorliegenden Fall von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
Der Senat hat keine Bedenken, im Rahmen der hier gebotenen Schätzung das Einkommen zugrunde zu legen, das der Kläger nach Mitteilung der Beigeladenen zu 1) in den drei Jahren des vor dem Sozialgericht geführten Verfahrens im Rahmen seiner kassenärztlichen Tätigkeit erzielt hat. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer erscheint es dagegen -- schon zur Vermeidung von Zufälligkeiten -- nicht sachgemäß, nur von dem Einkommen im Jahre 1983 auszugehen. Das gilt auch für die anwaltliche Tätigkeit ...