Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Gegenstandswert. Zulassungsstreitigkeit im Kassen- bzw Vertragsarztrecht

 

Orientierungssatz

Bei der Bestimmung des Gegenstandswertes bei Zulassungsstreitigkeiten im Kassen- bzw Vertragsarztrecht geht der Senat von dem Geldbetrag (Brutto-Honorarumsatz) aus, der bei Erlangung des begehrten Status innerhalb von drei Jahren voraussichtlich hätte verdient werden können, es sei denn, dass bei zeitlicher Begrenzung der Zulassungsstreitigkeit der voraussichtliche Brutto-Honorarumsatz niedriger ist (vgl Beschlüsse des Senats vom 3.7.1996, L 4 B 2/95, 19.12.1996, L 4 B 9/96).

 

Tatbestand

Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag des Beschwerdegegners auf Zulassung als Vertragsarzt in J ab und ließ den Beschwerdeführer zu 1) für den Vertragsarztsitz J als Radiologe zu. Unter dem 14. Mai 1997 legte der Beschwerdegegner Widerspruch gegen die Zulassung des Beschwerdeführers zu 1) und seine Ablehnung ein. Der Beschwerdeführer zu 2) wies den Widerspruch zurück und ordnete die sofortige Vollziehung der Zulassung des Beschwerdeführers zu 1) an (Beschluss vom 27. August 1997).

Auf den Antrag des Beschwerdegegners hat das Sozialgericht den Vollzug aus dem Beschluss des Beschwerdeführers vom 27. August 1997 ausgesetzt.

Die Beschwerden der Beschwerdeführer zu 1) und 2) hat der Senat zurückgewiesen bzw als unzulässig verworfen (Beschluss vom 15. Juni 1998).

Der Bevollmächtigte des Antragsgegners hat am 29. Juli 1998 beantragt, den Gegenstandswert festzusetzen. Die Beigeladene zu 8) hat mitgeteilt, dass der durchschnittliche Brutto-Honorarumsatz der niedergelassenen Radiologen in Thüringen für das II. Quartal 1997 256.828,00 DM betragen habe.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) werden in Verfahren aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen einschließlich Vereinigungen und Verbände (§ 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes -- SGG --) die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet. Der Gegenstandswert bestimmt sich zwar gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BRAGO nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG). Doch gilt dieses Gesetz für die Sozialgerichtsbarkeit ausweislich § 1 GKG nicht. Deshalb ist der Gegenstandswert nach § 8 Abs. 2 BRAGO zu bestimmen. Da sich der Gegenstandswert weder aus den in § 8 Abs. 2 Satz 1 BRAGO genannten Vorschriften der Kostenordnung ergibt noch sonst feststeht, der bisherige Sach- und Streitstand aber genügende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung mit der Folge bietet, dass nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BRAGO der Gegenstandswert nicht auf 8.000,00 DM, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über eine Million anzunehmen ist, ist dieser nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BRAGO zu bestimmen. Unter ergänzender Heranziehung des Rechtsgedankens des § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG (vgl. BSG, Beschluss vom 7. Februar 1991, Az.: 6 RKa 30/89; BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6 S. 15 f.) ist der Wert nach der sich aus dem Antrag des Klägers bzw. Antragsteller für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach billigem Ermessen zu bestimmen, wobei die Bedeutung der Sache für den Kläger bzw. Antragstellers dabei in der Regel einem wirtschaftlichen Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen entspricht (vgl. BSG, aaO).

Zur Bestimmung (Schätzung) des Wertes des Gegenstandes ist derjenige Zeitpunkt maßgebend, in dem die Gebühr entsteht, in dem also der Anwalt diejenige Tätigkeit vornimmt, die die Gebühr auslöst (vgl. Hartmann, Kostengesetze, Kommentar, 26. Auflage 1995, § 7 BRAGO, Rdnr. 4; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, Kommentar, 13. Auflage 1997, § 7 Rdnr. 4). Die Gebühr des Rechtsanwaltes entsteht, sobald der Rechtsanwalt die gebührenpflichtige Tätigkeit vorgenommen hat (Hartmann, aaO, § 16 BRAGO, Rdnr. 1; Hansens, BRAGO, Kommentar, 8. Auflage 1995, § 16 Rdnr. 1), also grundsätzlich zu Beginn der anwaltlichen Tätigkeit (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 19. Dezember 1996, Az.: L 4 B 9/96).

Danach ist grundsätzlich der Gegenstandswert ex ante und nicht ex post, nach Abschluss der anwaltlichen Tätigkeit, zu bestimmen, woraus sich zugleich ergibt, dass die Bestimmung des Gegenstandswertes ex ante unabhängig von der Zeitdauer des Verfahrens erfolgen muss (so zu Recht LSG Niedersachsen, Beschluss vom 17. Juli 1995, Az.: L 5 S (Ka) 148/94, und diesem insoweit folgend der Senat, aaO; wohl -- generell -- anderer Auffassung BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6 S. 16, wo auf das Honorar abgestellt wurde, das der dortige Kläger im streitigen Zeitraum erzielt hat, so dass sich der Gegenstandswert durch Zeitablauf verändern könnte, als im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung anders sein könnte als im Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung). Soweit aber der Gegenstandswert zu Beginn der anwaltlichen Tätigkeit für den Kläger bzw. Antragsteller nicht hinreichend bestimmbar ist, ist sein Wert bezoge...

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