Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortgeltung von Verträgen über häusliche Krankenpflege. Wettbewerbsverstoß. Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Auch ohne vertraglich vereinbarte Fortgeltung gelten gekündigte Preisvereinbarungen bezüglich Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB 5 solange fort, bis einvernehmlich eine neue Preisvereinbarung geschlossen worden ist.
2. Einer Krankenkasse ist es wettbewerbsrechtlich verwehrt, Versicherte mit der Maßgabe anzuschreiben, diese könnten die bisherigen Leistungserbringer aufgrund eines vertragslosen Zustandes mit der Krankenkasse nicht mehr in Anspruch nehmen.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 20. August 1998 wird abgeändert.
Die Antragsgegnerin wird bis zum Abschluss von Verträgen über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach dem 5. Sozialgesetzbuch - SGB V - mit den Antragstellern zu 1) - 9) verpflichtet, die von den Antragstellern zu 1) - 9) erbrachten Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V nach den am 30. April 1998 geltenden Vergütungssätzen abzurechnen.
Der Antragsgegnerin wird untersagt, ihre Mitglieder, soweit sie von den Antragstellern zu 1) - 9) betreut werden aufzufordern, Pflegeverhältnisse zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB V zu beenden und neue Pflegeverhältnisse nur mit von ihr empfohlenen Pflegediensten abzuschließen.
Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern zu 1) - 9) die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller zu 1) - 9) begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, mit den Antragstellern zu 1) - 9) die von diesen erbrachten und zu erbringenden Leistungen nach dem SGB V an Versicherte der Antragsgegnerin über den 30. April 1998 hinaus zu den am 30. April 1998 geltenden Vergütungssätzen abzurechnen und der Antragsgegnerin zu untersagen, ihre Mitglieder, soweit sie von den Pflegediensten der Antragsteller zu 1) - 9) betreut werden, aufzufordern, Pflegeverhältnisse zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB V zu beenden und neue Pflegeverhältnisse nur mit von ihr empfohlenen Pflegediensten abzuschließen.
Die Antragsteller sind Träger der Sozialstationen im Bereich der Stadt ... und des Landkreises .... Sie erbringen seit Jahren ambulante häusliche Krankenpflege ua für 98 Versicherte der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin vergütete dabei die Leistungen der Antragsteller weitgehend gleichbleibend iHv 46,00 DM für den Leistungseinsatz nach § 37 Abs 1 SGB V und für die Behandlungspflege in mindestens derjenigen Höhe, die bis zum streitigen Datum zwischen den Beteiligten als vereinbart galt. Die Antragsgegnerin ist den zunächst zwischen der Arbeitsgemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen in ... und der Arbeitsgemeinschaft "Sozialstation ..." über die Vergütungen für Leistungen der häuslichen Krankenpflege wie auch den seit dem 1. Januar 1994 auf Landesebene geschlossenen Rahmenvereinbarungen dieser beigetreten.
Nach Kündigung der Landesrahmenvereinbarung seitens der Landesverbände der Krankenkassen in Niedersachsen zum 31. Dezember 1996 vereinbarte man eine zeitlich befristete Übergangsregelung vom 19. Dezember 1996 über die Erbringung und Vergütung häuslicher Krankenpflege. Diese lief am 31. Mai 1997 aus und wurde bis zum 30. September 1997 verlängert. Die Antragsgegnerin rechnete auch über den Verlängerungszeitpunkt hinaus auf der Grundlage der auf Landesebene abgeschlossenen Übergangsregelungen für die Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu den vereinbarten Konditionen ab. Für die häusliche Krankenpflege kam mit Wirkung vom 1. Februar 1998 eine Rahmenvereinbarung gemäß § 132 a Abs 2 SGB V auf Landesebene zustande. Diese Rahmenvereinbarung war auf Landesebene mit verbindlicher Vergütungsvereinbarung verbunden, die für die Verbände der freien Wohlfahrtspflege und Kommunen eine Honorierung des Einsatzes gemäß § 37 Abs 1 SGB V mit 46,00 DM vorsah. Diese Rahmenvereinbarung wurde von dem Landesverband der Betriebskrankenkasse als Empfehlung mitgetragen. Die Antragsgegnerin schloss sich dieser Empfehlung jedoch nicht an und ist der Vereinbarung nicht beigetreten. Die Antragsgegnerin beabsichtigte vielmehr, eigene Vereinbarungen mit den Leistungserbringern abzuschließen.
Mit Schreiben vom 27. Februar und 2. April 1998 schrieb die Antragsgegnerin alle ihr bekannten Leistungsträger im Bereich der häuslichen Krankenpflege an und forderte zu Vertragsverhandlungen auf, um eigene Verträge abzuschließen. Sie kündigte an, für häusliche Krankenpflege gemäß § 37 Abs 1 SGB V je Einsatz 40,00 DM zahlen zu wollen. Die Sozialstationen sollten auf dem schriftlichen Vertragsangebot entweder erklären, auf der Grundlage der vorgestellten Preisübersicht mit der Antragsgegnerin zusammenzuarbeiten oder mitzuteilen, dass sie an einer Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin nicht interessiert seien. Sämtliche angeschriebenen Sozialstationen lehnten da...