Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Überprüfung der Billigkeit der Gebührenbestimmung des beigeordneten Rechtsanwalts von Amts wegen. Tätigkeiten vor Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Untersuchungs- bzw Amtsermittlungsgrundsatz gilt auch in Vergütungsfestsetzungsverfahren für im Wege der Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren beigeordnete Rechtsanwälte, weshalb die Billigkeit der vom Rechtsanwalt bestimmten Rahmengebühren im Einzelfall nicht nur auf eine etwaige Rüge der Staatskasse, sondern unter Berücksichtigung aller Umstände von Amts wegen geprüft wird.

 

Orientierungssatz

Gebührenansprüche können in dem Umfang sowie in der Höhe geltend gemacht werden, wie sie ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Beiordnung entstehen, wobei der im Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss ausdrücklich festgesetzte Zeitpunkt maßgeblich ist, unabhängig davon, ob ggf die Bewilligung und Beiordnung bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen können oder im Einzelfall sogar müssen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 14. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung in einem Prozesskostenhilfeverfahren.

Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig (SG) vom 24. Januar 2013 im Klageverfahren zum dortigen Aktenzeichen S 21 AS 4846/09 den dortigen Klägern zu 2., 5., 6. und 7. mit Wirkung ab dem 23. Januar 2013 als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. In dem am 8. Dezember 2009 anhängig gemachten Klageverfahren stritten die dortigen Beteiligten im Rahmen von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) über die mit Bescheid vom 30. Juli 2009 erfolgte Ablehnung eines auf den Zeitraum Mai bis Oktober 2007 bezogenen Überprüfungsantrags. Das Verfahren endete durch einen in der 54-minütigen mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24. Januar 2013 unter Einbeziehung eines weiteren Verfahrens zum Aktenzeichen S 21 AS 2736/11 geschlossenen gerichtlichen Vergleich gemäß § 101 SGG mit dem Inhalt einer Nachzahlung des Beklagten in Höhe von EUR 770,00 an alle dortigen Kläger, in Höhe weiterer EUR 50,00 nur an den dortigen Kläger zu 1. und in Höhe von EUR 180,00 nur an die dortige Klägerin zu 3. Der gerichtliche Vergleich beinhaltete weiterhin die Vereinbarung einer Kostentragung des dortigen Beklagten mit einer zu erstattenden Schwellengebühr zzgl. zwei Erhöhungsgebühren zzgl. EUR 170,00 Vergleichsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, die vom dortigen Beklagten in der Folgezeit durch Zahlung von insgesamt EUR 683,06 erfüllt wurde.

Mit am 25. Februar 2013 eingegangenem Schreiben vom 16. Februar 2013 beantragte der Beschwerdeführer beim SG die Erstattung der Gebühren und Auslagen für seine Tätigkeit im Klageverfahren. Abgerechnet wurden dabei eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG), einschließlich Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG, in Höhe von insgesamt EUR 220,00, eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von EUR 380,00, eine Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Höhe von EUR 220,00 sowie die Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von EUR 20,00, Tagegeld nach Nr. 7005 VV RVG in Höhe von EUR 20,00 und 19% Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von EUR 163,40.

Unter dem 15. April 2013 setzte der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim SG die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf EUR 653,79 fest unter Ansetzung einer Verfahrensgebühr in Höhe von EUR 20,00 zzgl. einer Erhöhung um EUR 18,00, einer Terminsgebühr in Höhe von EUR 300,00, einer Einigungs- und Erledigungsgebühr in Höhe von EUR 190,00, einer Pauschale in Höhe von EUR 20,00, Abwesenheitsgeld in Höhe von EUR 1,40 und Umsatzsteuer in Höhe von EUR 104,39. Die Verfahrensgebühr könne unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG und der erst ab dem Tag vor der mündlichen Verhandlung erfolgten Prozesskostenhilfebewilligung nur auf die Mindestgebühr festgesetzt werden. Zudem seien am Terminstag insgesamt 25 Verfahren der Bedarfsgemeinschaft verhandelt worden, weshalb Synergieeffekte zu berücksichtigen seien. Für die Terminsgebühr seien bei einer Dauer von 54 Minuten EUR 300,00 festsetzungsfähig. Die Einigungs- und Erledigungsgebühr sei mit der Mittelgebühr anzusetzen. Die Gebühr nach Nr. 7005 VV RVG sei auf alle 25 Verfahren zu verteilen. Eine Vergütung aus der Staatskasse erfolge nicht, weil die bereits im Wege der Kostenerstattung durch den Beklagten im Klageverfahren zum Aktenzeichen S 21 AS 4846/09 gezahlte Vergütung in Höhe von EUR 683,06 anzurechnen sei.

Hiergegen legte der Beschwerdeführer eine am 2. Mai 2013 beim SG eingegangene Erinnerung ein. Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20. Januar 2011 zum Aktenzeichen V ZB 216/10 könne bei der Gebührenfes...

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