Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer nicht für alle Streitgenossen erfolgten Prozesskostenhilfebewilligung beschränkt sich der Vergütungsanspruch eines beigeordneten Rechtsanwalts grundsätzlich auf den aus dem Gesamtbetrag der anwaltlichen Kosten für die Vertretung aller Streitgenossen errechneten kopfteiligen Vergütungsanteil.
2. Eine Abweichung kommt in Betracht, wenn nach objektiver Beurteilung der Prozess- und Vertretungssituation aufgrund einer Verfahrenszäsur die weitere Gebühren oder Auslagen verursachenden rechtsanwaltlichen Tätigkeiten bzw. gerichtlichen Handlungen auch nach der ersichtlichen Bewertung im Innenverhältnis nur noch einen bzw. einige der Streitgenossen betreffen mit einer entsprechend intern gewollten Kostenzuweisung.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Erinnerungsbeschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 22. Februar 2022 aufgehoben, soweit er die im Berufungsverfahren zum Aktenzeichen L 11 AS 298/19 am 16. September 2019 erfolgte Vorschussfestsetzung aufhebt, sowie im Übrigen unter teilweiser Abänderung der Vergütungsfestsetzung vom 22. April 2021 dahin gefasst, dass die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für seine Tätigkeit im Berufungsverfahren zum Aktenzeichen L 11 AS 298/19 in Höhe von insgesamt EUR 628,32 festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung nach dem Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) in einem Prozesskostenhilfeverfahren.
In dem am 20. Mai 2019 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen zum Aktenzeichen L 11 AS 298/19 eingeleiteten Berufungsverfahren, nach einem teilweise klagabweisenden Urteil des Sozialgerichts (SG) Braunschweig vom 25. März 2019 gerichtet auf die im Rahmen von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) begehrte Bewilligung von Kosten für Schulbücher, Arbeitshefte und Leihgebühren, vertrat der Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigter die dortigen beiden Berufungskläger. Mit Beschluss vom 28. August 2019 ist der Beschwerdeführer nur der dortigen Berufungsklägerin zu 2. im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 121 Zivilprozessordnung (ZPO) als Rechtsanwalt beigeordnet worden bei gleichzeitiger Ablehnung der beantragten Prozesskostenhilfebewilligung für den dortigen Berufungskläger zu 1. Mit am 2. September 2019 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat der Beschwerdeführer die Berufung für den dortigen Berufungskläger zu 1. zurückgenommen. Auf einen parallel am 2. September 2019 gestellten Antrag des Beschwerdeführers setzte die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim LSG Niedersachsen-Bremen am 16. September 2019 einen Gebührenvorschuss gemäß § 47 RVG in Höhe von EUR 464,10 fest unter Ansetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 VV RVG in Höhe von EUR 370,00. Das für die Berufungsklägerin zu 2. fortgeführte Berufungsverfahren L 11 AS 298/19 endete nach einem mit Schriftsätzen der Beteiligten vom 21. und 26. Januar 2021 erklärten Einverständnis mit Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG vom 2. März 2021.
Am 11. März 2021 beantragte der Beschwerdeführer beim SG die Festsetzung der für seine Tätigkeit im Berufungsverfahren aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen. Er rechnete dabei eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 VV RVG in Höhe von EUR 370,00 ab sowie eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV RVG in Höhe von EUR 277,50, die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von EUR 20,00 und 19% Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von EUR 126,83, insgesamt also EUR 794,33 bzw. unter Berücksichtigung des festgesetzten Vorschusses weitere EUR 330,23.
Unter dem 22. April 2021 setzte der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim SG die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung antragsgemäß auf EUR 794,33 fest und veranlasste die Auszahlung weiterer EUR 330,23.
Hiergegen hat der Beschwerdegegner mit am 28. Juni 2021 beim SG eingegangenen Schreiben vom 23. Juni 2021 Erinnerung eingelegt. Die Vergütung sei auf insgesamt EUR 463,21 festzusetzen, weil die Berufung im Verfahren L 11 AS 298/19 für zwei Auftraggeber eingelegt, Prozesskostenhilfe jedoch nur für die dortige Berufungsklägerin zu 2. bewilligt worden sei. Nach der Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 22. Juni 2016 zum Aktenzeichen L 7 AS 152/15 B sei daher die Vergütung unter Berücksichtigung der Erhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG für einen weiteren Auftraggeber zu berechnen und dann entsprechend der Anzahl der Auftraggeber zu teilen.
Der Beschwerdeführer hat die Zurückweisung der Erinnerung beantragt. Die Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen finde keine Rechtsgrundlage. Im Berufungsverfahren L 11 AS 298/19 habe es nur teilweise zwei und seit September ...