Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. Verfahrensgebühr. Bedeutung der Angelegenheit. Untätigkeitsklage und Ausgangsverfahren nicht dieselbe Angelegenheit. alleiniges Abstellen auf die Voraussetzungen des § 88 SGG. Vergütungsanspruch bei einer nicht für alle Streitgenossen erfolgten Prozesskostenhilfebewilligung. kopfteiliger Vergütungsanteil. Begriff "dieselbe Angelegenheit"
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Untätigkeitsklage und das dahinterstehende materielle Interesse - die Ausgangsangelegenheit - stellen nicht dieselbe Angelegenheit iS des § 15 Abs 2 RVG dar.
2. Der rechtliche Rahmen, der die Beauftragung eines Rechtsanwalts bei einer Untätigkeitsklage bestimmt und gleichzeitig begrenzt, wird ausschließlich durch die Voraussetzungen des § 88 SGG geprägt, und zwar unabhängig von der Berechtigung eventueller Sozialleistungsansprüche im Ausgangsverfahren.
3. Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts beschränkt sich bei einer nicht für alle Streitgenossen erfolgten Prozesskostenhilfebewilligung auf den aus dem Gesamtbetrag der anwaltlichen Kosten für die Vertretung aller Streitgenossen errechneten kopfteiligen Vergütungsanteil.
Orientierungssatz
Zum Begriff "dieselbe Angelegenheit" im gebührenrechtlichen Sinne.
Tenor
Die Beschwerde gegen den die Erinnerung zurückweisenden Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 9. März 2017 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung in einem Prozesskostenhilfeverfahren.
Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluss vom 24. Januar 2017 im Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Braunschweig zum dortigen Aktenzeichen S 41 AS 2161/16 der dortigen Klägerin zu 1) ab dem 22. Dezember 2016, dem Tag der Antragstellung, als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. Hinsichtlich der dortigen Kläger zu 2) und 3) lehnte das SG den Prozesskostenhilfeantrag ab. In dem Klageverfahren stritten die dortigen Beteiligten über eine etwaige Untätigkeit des dortigen Beklagten mit Blick auf einen von der Klägerin zu 1) und ihren Kindern eingelegten Widerspruch vom 23. Dezember 2015 gegen einen Bescheid vom 24. November 2015. Die Begründung der Klage erschöpfte sich in dem Satz, dass das Jobcenter Braunschweig (der dortige Beklagte) über den Widerspruch vom 23. Dezember 2016 bis heute nicht entschieden habe, so dass Klage geboten sei. Am 13. Januar 2017 teilte der dortige Beklagte in einem Schriftsatz an das SG mit, dass er mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2017 über den Widerspruch entschieden habe und übersandte den Widerspruchsbescheid im Original nebst Abdrucken. Zugleich erklärte er sich dem Grunde nach zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten bereit. Mit Verfügung vom 16. Januar 2017 fragte das SG bei dem Beschwerdeführer an, ob er das Anerkenntnis zur Erledigung des Rechtsstreits annehme. Am 24. Januar 2017 erklärte der Beschwerdeführer gegenüber dem SG, dass das Anerkenntnis angenommen werde.
Mit am 6. Februar 2017 eingegangenem Schreiben beantragte der Beschwerdeführer beim SG die Erstattung der Gebühren und Auslagen für seine Tätigkeit im Klageverfahren. Abgerechnet wurden dabei nach dem Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) eine nach Nr. 1008 VV RVG wegen der Tätigkeit für drei Auftraggeber um 60 % erhöhte Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 256,00 €, eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 252,00 € sowie die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 € und 19% Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 100,32 €, insgesamt also 628,32.
Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 7. Februar 2017 setzte der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim SG die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 214,20 € fest. Er setzte dabei die Verfahrensgebühr lediglich in Höhe von 100,00 € an, erhöht um 60,00 € nach Nr. 1008 VV RVG, die Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 € und die Umsatzsteuer in Höhe von 34,20 € an. Eine nennenswerte umfangreiche Tätigkeit des Beschwerdeführers sei in dem Untätigkeitsklageverfahren nicht zu erkennen. Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit habe sich auf ein Mindestmaß beschränkt. Die Bedeutung der Angelegenheit sei für die Kläger maximal durchschnittlich gewesen. Die persönlichen Verhältnisse der Kläger seien dagegen als unterdurchschnittlich zu bewerten. Insgesamt sei daher nur eine Verfahrensgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr (100,00 €) als angemessen anzusehen. Die fiktive Terminsgebühr sei nicht angefallen, weil der Erlass des begehrten Widerspruchsbescheids und die Abgabe einer Erledigungserklärung nach § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht als angenommenes Anerkenntnis zu werten sei.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 21. Februar 2017 beim SG Erinnerung eingelegt. Das SG hat mit Beschluss vom...