Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostentragung bei Anerkenntnis
Leitsatz (amtlich)
1. Endet ein gerichtliches Verfahren durch Erledigung der Hauptsache, weil eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eintritt oder zugrunde gelegt wird und der Beklagte unverzüglich ein entsprechendes (Teil-)Anerkenntnis abgibt, ist die Veranlassung zur Erhebung der Klage im Sinne des § 93 ZPO dadurch nicht berührt, weil diese allein schon durch einen definitiv ablehnenden Bescheid des Beklagten gegeben war.
2. Dennoch kann aber der Rechtsgedanke des § 93 ZPO in den Fällen herangezogen werden, in denen die Anspruchsvoraussetzungen eindeutig und ausschließlich zu einem bestimmten Zeitpunkt während des gerichtlichen Verfahrens erfüllt werden und der Beklagte sofort ein entsprechendes Anerkenntnis abgibt. Dann ist der Beklagte von den durch Fortführung des Rechtsstreits bedingten Kosten nach dem og Rechtsgedanken frei, von den bis zum Eintritt der Änderung entstandenen Kosten unter dem Erfolgsgesichtspunkt.
3. In der Regel voll kostenpflichtig ist der Beklagte dagegen, wenn eine schon vor Klagerhebung vorhandene Voraussetzung im gerichtlichen Verfahren erstmals festgestellt wird und zur rückwirkenden Gewährung des Anspruchs führt.
4. Liegt dem (Teil-)Anerkenntnis eine kontinuierlich sich entwickelnde Gesundheitsstörung zugrunde und ist nicht auszuschließen, dass der maßgebliche Gesundheitszustand schon vor dem Zeitpunkt der Anerkennung vorgelegen hat, ist der Rechtsgedanke des § 93 ZPO nicht anzuwenden. Dann sind die Kosten idR nach dem Maß des Erfolgs zu teilen. Kommt dabei ausschließlich ein Zeitpunkt nach Klagerhebung in Betracht, kann das durch Festsetzung einer niedrigeren Erstattungsquote berücksichtigt werden.
5. Zu einer (ggf zusätzlichen) Quote kann es - unabhängig von einem Teilanerkenntnis und seiner kostenmäßigen Behandlung - führen, wenn darüber hinaus eine gewisse Erfolgsaussicht wegen offener Tatsachen- oder schwieriger Rechtsfragen bei der im Rahmen der Kostenentscheidung gebotenen summarischen Prüfung nicht verneint werden kann. Die diesbezüglichen Kosten sind dann hälftig aufzuteilen, bei Anhaltspunkten für einen abweichenden Grad der Wahrscheinlichkeit kommen auch andere Quoten in Betracht.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 23. Februar 2005 abgeändert. Die Beklagte hat der Klägerin ein Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin außergerichtliche Kosten zu erstatten hat.
Die Klägerin stellte einen ersten Antrag zur Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) am 11. März 2003 und gab unter Beifügung verschiedener ärztlicher Berichte als Gesundheitsstörung eine HIV-Infektion an. Die Beklagte holte einen Befundbericht der Gemeinschaftspraxis Dr. F. vom 20. März 2003 ein. Darin wurde unter Dauerdiagnosen eine asymptomatische HIV-Infektion angegeben, als Kurzdiagnosen wurden vor allem Infekte der Atemwege und des Magen-Darm-Traktes genannt. Außerdem war u. a. ein Entlassungsbericht vom Juli 2001 über eine Reha-Maßnahme unter der Diagnose Anpassungsstörungen bei HIV-Infektion beigefügt.
Mit Bescheid vom 28. März 2003 lehnte die Beklagte eine Feststellung nach dem SGB IX ab, da nach versorgungsärztlicher Stellungnahme ein GdB von 20 nicht erreicht wurde. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2003 zurückgewiesen.
Am 30. Juli 2003 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben. Das SG hat einen Befundbericht der Gemeinschaftspraxis Dr. F. vom 13. April 2004 eingeholt, dem verschiedene Unterlagen, insbesondere Berichte des G. Bremerhaven, beigefügt waren. In dem Bericht des Krankenhauses vom 1. September 2003 wird u. a. über laborchemische Ergebnisse vom 12. August 2003 berichtet. Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 30. Juni 2004 ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass ein GdB von 20 ab 1. September 2003 anerkannt werde wegen einer Leberfunktionsstörung (Einzel-GdB 20) und der Infektionserkrankung (Einzel-GdB 10). Im weiteren Verfahren hat die Klägerin den Bericht des G. vom 9. September 2004 übersandt, aus dem sich u. a. eine allgemeine Verschlechterung mit progredienter Kachexie ergab. Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2005 hat die Beklagte daraufhin wegen Verschlimmerung der Infektionskrankheit einen GdB von 50 ab 9. September 2004 anerkannt. Die Klägerin hat dieses Angebot angenommen und eine Kostenentscheidung beantragt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Februar 2005 hat das SG entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. Das Anerkenntnis der Beklagten beruhe auf einer im Laufe des Klageverfahrens eingetretenen wesentlichen Verschlimmerung, die durch den Bericht vom 9. September 2004 belegt worden sei. Die Beklagte habe dem durch ihr Anerkenntnis unverzüglich Rechnung getragen.
Gegen diese ihr am 2. März ...