Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Ausnahme von der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl. Wegfall des Arbeitslosengeldes II bei wiederholter Pflichtverletzung eines unter 25jährigen Hilfebedürftigen in der Bedarfsgemeinschaft. einstweiliger Rechtsschutz. kein Beschwerdeausschluss trotz Unterschreitung des für die Berufung geltenden Beschwerdewertes. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Abweichen von dem Grundsatz, dass die Aufteilung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen nach Kopfzahl erfolgt, ist bei Wegfall des Arbeitslosengeldes II eines unter 25jährigen Hilfebedürftigen wegen wiederholter Pflichtverletzung jedenfalls dann geboten, wenn dieser in einer Bedarfsgemeinschaft mit minderjährigen Geschwistern lebt.
2. In diesem Fall sind die Unterkunftskosten in voller Höhe den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu erbringen, da diese ansonsten unzulässig in "Sippenhaftung" genommen würden mit der Folge drohenden Wohnungsverlusts.
Orientierungssatz
Bei der Prüfung des Ausschlusses der Beschwerde gem § 172 Abs 3 Nr 1 SGG wegen Unzulässigkeit der Berufung, sind neben dem Wert des Beschwerdegegenstandes auch die Zulassungsgründe des § 144 Abs 2 SGG zu berücksichtigen, wenn der Beschwerdewert des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG nicht erreicht wird. Der Prüfung der Zulassungsgründe steht nicht entgegen, dass diese auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht übertragbar wären. Beim Streit um existenzsichernde Leistungen hat das einstweilige Rechtsschutzverfahren für den Hilfebedürftigen faktisch die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 5. Februar 2009 geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen der Antragsteller im Hauptsacheverfahren verpflichtet, diesen für die Monate Dezember 2008 und Januar 2009 weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 200,28 € zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Die Antragsteller begehren eine einstweilige Anordnung über Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der vollständigen Aufwendungen nach dem SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende - für die Monate Dezember 2008 und Januar 2009.
Die 1965 geborene Antragstellerin lebt mit ihrem minderjährigen Sohn (Antragsteller) und ihrem 1987 geborenen Sohn D. in einer Bedarfsgemeinschaft. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2008 stellte die Antragsgegnerin gegenüber D. den vollständigen Wegfall des Alg II für die Zeit vom 1. November 2008 bis 31. Januar 2009 fest, weil er wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden. Auf den Antrag auf Weiterbewilligung des Alg II über das Ende des laufenden Bewilligungsabschnitts am 30. November 2008 hinaus bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern mit Bescheid vom 21. November 2008 Leistungen für die Monate Dezember 2008 und Januar 2009 in Höhe von 850,58 € und berücksichtigte den auf D. entfallenen Anteil der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 200,28 € monatlich aufgrund der festgestellten Sanktion nicht. Dagegen erhoben die Antragsteller fristgerecht Widerspruch und beantragten am 12. Januar 2009 vor dem Sozialgericht (SG) Bremen eine einstweilige Anordnung. Die Antragstellerin wies darauf hin, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin sich unmittelbar auf ihre Regelleistung und die ihres minderjährigen Sohnes auswirke. Dadurch sei sie in eine finanzielle Notlage geraten, da die Miete von ihr vollständig erbracht werden müsse. D. zeige sich nicht kooperativ und verweigere sämtliche Mitwirkung gegenüber der Antragsgegnerin. Auch sie - die Antragstellerin - finde keinen Zugang zu ihrem Sohn. Vielmehr belüge er sie über angebliche Ausbildungsplatzstellen, Praktika und wahrzunehmende Termine bei der Antragsgegnerin. Sie habe alles versucht, um Einfluss auf ihren Sohn zu nehmen. Organisierte Therapiemaßnahmen seien bislang erfolglos gewesen. Nach einer Entscheidung des SG Aurich (Beschluss vom 6. Juni 2008 - S 25 AS 298/08 ER) sei die Erstreckung der Sanktion auf Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft unzulässig. Das SG hat den Antrag durch Beschluss vom 5. Februar 2009 abgelehnt.
Gegen die am 10. Februar 2009 zugestellte Entscheidung wenden sich die Antragsteller mit der am 10. März 2009 eingelegten Beschwerde, die sie trotz eines Beschwerdewerts von (lediglich) 400,56 € für statthaft halten. Denn die Frage, ob bei einer Sanktionierung unter 25jähriger der gekürzte Mietanteil faktisch den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft auferlegt werde, habe grundsätzliche Bedeutung. Eine obergerichtliche Rechtsprechung bestehe nach ihrem Kenntnisstand nicht. Die Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Anordnung seien erfüllt: Aufgrund der Mietrüc...