Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. kein Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit gegen Entscheidungen der Sozialgerichte über Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Kassenzahnärztliche Vereinigung. keine Aufrechnung von Honorarrückforderungsansprüchen gegen Kostenerstattungsansprüche eines Vertragszahnarztes aus einem abgeschlossenen Gerichtsverfahren. Vollstreckungsabwehrklage. Erlöschen des titulierten Anspruchs. Abtretung eines Kostenerstattungsanspruchs. Einziehungsermächtigung. Gegenseitigkeitsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist die Beschwerdemöglichkeit gegen Entscheidungen der Sozialgerichte über Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung - anders als im Zivilprozess - nicht ausgeschlossen.
2. Eine Kassenzahnärztliche Vereinigung kann Ansprüche des Vertragszahnarztes gegen den Beschwerdeausschuss auf Kostenerstattung aus einem abgeschlossenen Gerichtsverfahren nicht gegen Honorarrückforderungsansprüche aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen aufrechnen.
Normenkette
SGG § 172 Abs. 1, § 198 Abs. 1, 3; ZPO § 769 Abs. 1; SGB V § 72 Abs. 1 S. 2, § 106 Abs. 4a S. 7; SGB I § 51 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 11; BGB § 387
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 5. August 2016 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller und die Beigeladene zu 1. tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.401 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller (ASt) begehrt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem zugunsten des Antragsgegners (Ag) ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss.
Der Ag ist als Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg (MKG-Chirurg) sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung in H. zugelassen. Der ASt nahm ihm gegenüber für die Abrechnungsquartale IV/1999 bis III/2002, I/2004 bis III/2005 und I/2006 bis III/2006 Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in einem Gesamtumfang von rund 390.000,00 Euro vor, was zu mehreren - mittlerweile rechtskräftig abgeschlossenen - Rechtsstreiten zwischen den Hauptbeteiligten führte. Die Klagen des Ag gegen die Honorarkürzungen hatten aber nur teilweise Erfolg. In dem das Quartal I/2002 betreffenden Verfahren erklärten die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt; daraufhin wurden dem ASt die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens auferlegt (Beschluss des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Niedersachsen-Bremen vom 5. März 2015, Az: L 3 KA 10/13; erstinstanzliches Az bei dem Sozialgericht ≪SG≫ Hannover: S 35 KA 28/09).
Unter dem 10. Juli 2015 trat der Ag sämtliche Erstattungsansprüche aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des SG Hannover ua zu den Az S 35 KA 28/09, L 3 KA 10/13 sowie zukünftige Erstattungsansprüche aus gerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschlüssen an seine Prozessbevollmächtigten ab; diese nahmen die Abtretungen unter demselben Datum an.
Mit Beschluss vom 5. August 2015 setzte die Urkundsbeamtin des SG die zu erstattenden Kosten für die Verfahren S 35 KA 28/09 und L 3 KA 10/13 einschließlich der Kosten des vorangegangenen Widerspruchsverfahrens fest. Auf die dagegen vom ASt eingelegte Erinnerung hat das SG Hannover die vom ASt an den Ag zu erstattenden Kosten (endgültig) auf 5.602,81 Euro nebst Zinsen iHv fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2015 festgesetzt (Beschluss vom 17. Dezember 2015, Az: S 85 SF 174/15 E).
Nachdem auf den festgesetzten Erstattungsbetrag keine Zahlung erfolgt war, erwirkte der Ag bei dem Amtsgericht (AG) Hannover wegen dieses Anspruchs einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB), mit dem vom Ag behauptete Kostenerstattungsansprüche des ASt gegen die Beigeladenen zu 2. bis 4. gepfändet worden sind. Der PfÜB wurde dem ASt am 20. Juni 2016 zugestellt.
Am 23. Juni 2016 hat der ASt bei dem SG Hannover Vollstreckungsabwehrklage erhoben und gleichzeitig beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des SG Hannover vom 17. Dezember 2015 bis zur Entscheidung über die Klage einstweilen ohne Sicherheitsleistung einzustellen. Die festgesetzte Erstattungsforderung bestehe nicht mehr; sie sei dadurch erloschen, dass die zu 1. beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) einen Gesamtbetrag iHv 5.783,94 Euro (Hauptforderung nebst Zinsen iHv 181,13 Euro) auf dem von ihr geführten Abrechnungskonto des Ag gutgeschrieben habe. Auf der Grundlage der zwischen der Beigeladenen zu 1., den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen geschlossenen Vereinbarung über die Festsetzung, den Einzug und Verbleib von Honorarkürzungen und -rückforderungen aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V; Anl 2 zur Vereinbarung über die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V ≪PrüfV≫) sei allein die Beigeladene zu 1. zur Einziehung von...