Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Vollstreckungsschutz gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts. Rechtsweg. Vollstreckungsabwehrklage. Anordnungsgrund. Rechtsschutzbedürfnis. Aufrechnung. Schadensersatzforderung. Fälligkeit
Orientierungssatz
1. Wird die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts betrieben, so sind zur Gewährung des beantragten vorläufigen Vollstreckungsschutzes über die Vorschrift des § 202 S. 1 SGG die Vorschriften des 8. Buches der ZPO anzuwenden. Diese Norm verdrängt § 86b Abs. 2 SGG als die speziellere Vorschrift.
2. Auf einen Anordnungsgrund i. S. des § 86b Abs. 2 SGG kommt es hierbei nicht an. Dieser wird durch das Rechtsschutzbedürfnis ersetzt.
3. Nach § 769 ZPO muss der Rechtsbehelf bei summarischer Prüfung Aussicht auf Erfolg versprechen; die Erfolgsaussichten müssen allerdings nicht überwiegend sein.
4. Erweist sich bei einer geltend gemachten Aufrechnung das Verhältnis von Gegenforderung und Hauptforderung als ungewiss, so kann der Vollstreckungsgegenklage ein gewisses Maß an Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Damit ist die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts bis zum Ausspruch des Urteils einstweilen einzustellen.
Normenkette
ZPO § 769; SGG § 86b Abs. 2 S. 2, §§ 51, 202 S. 1; GVG § 17a Abs. 5; BGB §§ 387, 271, 823 Abs. 2, § 830; StGB § 263; BMV-Z §§ 21-22, 23 Abs. 1 S. 2
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.07.2014 abgeändert. Es wird angeordnet, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.04.2014 (S 2 KA 29/08) bis zum Ausspruch des Urteils einstweilen einzustellen ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist, ob und inwieweit die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss einzustellen ist.
Der Antragsgegner war seit 1989 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16.11.2006 wurde er in 36 Fällen des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs für schuldig befunden. Die vertragszahnärztliche Zulassung wurde entzogen (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 05.11.2008 - B 6 KA 59/08 B -). Hierauf hat die Antragstellerin vom Antragsgegner Schadensersatz in Höhe von 53.533,00 EUR gefordert. Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hatte der Klage stattgegeben (Urteil vom 25.02.2009 - S 2 KA 29/08 -), die Berufung des Antragsgegners blieb erfolglos (Senat, Urteil vom 19.10.2011 - L 11 KA 30/09 -). Auf die Revision des Antragsgegners hat das BSG die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und der Antragstellerin die Kosten für alle Rechtszüge auferlegt (Urteil vom 20.03.2010 - B 6 KA 18/12 R -). Zwar habe das LSG zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Antragstellerin bejaht, indessen sei eine unmittelbare Leistungsklage unzulässig, weil der Schaden zunächst durch die Prüfgremien hätte festgestellt werden müssen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.04.2014 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG die von der Antragstellerin an den Antragsgegner zu erstattenden Kosten auf 14.634,55 EUR festgesetzt, zu verzinsen mit 5 % seit dem 11.12.2013.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 30.06.2014 vor dem SG Düsseldorf Klage gem. § 767 Zivilprozessordnung (ZPO) erhoben und gleichzeitig Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, um (u.a.) die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss für unzulässig zu erklären. Der Schadensersatzanspruch stehe ihr nach Grund und Höhe zu, wie auch das BSG festgestellt habe. Sie habe mit Schreiben vom 25.11.2013 die Aufrechnung des Schadensersatzanspruchs mit der Forderung erklärt. Gleichwohl verlange der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners die Zahlung des Betrags und drohe die Zwangsvollstreckung an.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Vollstreckung aus dem Beschluss des SG Düsseldorf vom 29.04.2014 zum Az. S 2 KA 29/08 bis zum Ausspruchs des Urteils einstweilen einzustellen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei nicht zulässig. Das BSG habe festgestellt, dass die von der Antragstellerin seinerzeit erhobene Leistungsklage wegen der vorrangigen Zuständigkeit der Prüfgremien unzulässig gewesen sei. Der Schaden müsse zunächst von den Prüfgremien festgesetzt werden. Die Antragstellerin umgehe dies. Sie versuche, die Gerichte mit einem identischen Anspruch im Gewand einer Vollstreckungsabwehrklage zu beschäftigen. Dieses Vorgehen bewirke, dass Prüfungsstelle und SG zugleich einen identischen Sachverhalt prüften. Im Übrigen werde der Anspruch grundsätzlich bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Beschluss vom 07.07.2014 hat das SG den Antrag abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht gegeben. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Zwar seien die Erhaltung der Beitragssatzstabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Kran...