Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Europarechtskonformität. bulgarischer und rumänischer Staatsbürger. keine Verletzung des EuFürsAbk. Aufenthaltsrecht. Unionsbürger. Freizügigkeit. Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt. Selbstständige Tätigkeit. Sozialhilfe. Existenzsicherung. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Diskriminierungsverbot. Gewöhnlicher Aufenthalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2, wonach Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen von der Leistungsberechtigung nach dem SGB 2 ausgenommen sind, ist als geltendes Recht auch anzuwenden; für eine "Folgenabwägung" ist insoweit kein Raum.

2. Einzelheiten zum Nichtbestehen eines anderweitigen Aufenthaltsrechts der Antragsteller.

 

Normenkette

SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; SGB III § 284; SGB I § 30 Abs. 3; FreizügG/EU § 2 Abs. 1; FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 2; RL (EG) 38/2004 Art. 14, 24 Abs. 2; VO (EG) 883/2004 Art. 4, 70; AEUV Art. 45 Abs. 2, Art. 49

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 27. Februar 2013 - S 46 AS 37/13 ER - aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Die Beschwerde, mit der sich der Antragsgegner dagegen wendet, dass ihn das Sozialgericht (SG) Oldenburg mit Beschluss vom 27. Februar 2013 - S 46 AS 37/13 ER - durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, den Antragstellern vorläufig ab 31. Januar 2013 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache - Az. S 46 AS 1340/12 -, längstens jedoch bis zum 31. Mai 2013, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere unter Berücksichtigung anrechenbaren Einkommens zu gewähren, ist gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet.

1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. der durch die Anordnung zu sichernde, in der Sache gegebene und im Hauptsacheverfahren geltend gemachte materielle Leistungsanspruch) als auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86 b, Rn. 27 f.; m. a. W. der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-). Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es den Antragstellern nicht gelungen, das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs für die begehrten Leistungen i.S. von § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG glaubhaft zu machen.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass es im Rahmen des Grundsicherungsrechts bei offenen Fragen der Tatsachenfeststellung nicht zulässig ist, die allgemeinen Regeln einer Beweislosigkeit ohne Berücksichtigung der zugrundeliegenden verfassungsrechtlichen Erwägungen, insbesondere mit Blick auf den Schutz der Menschenwürde, schematisch anzuwenden. Da Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und diese Sicherstellung eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates darstellt, dürfen existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigert werden (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris Rn. 28). Dies entbindet den Senat jedoch nicht von der Vornahme einer vollständigen rechtlichen Prüfung, die - wenn sie, wie vorliegend, zum Nachteil der Antragsteller ausgeht - die vorläufige Leistungsbewilligung in einem auf vorläufigen Rechtsschutz ausgerichteten Eilverfahren nicht zulässt.

2. Die seitens des SG Oldenburg in seinem angefochtenen Beschluss vom 27. Februar 2013 unter teilweiser Inbezugnahme der Gründe des Beschlusses des SG Oldenburg vom 21. Februar 2013, welchen der Senat mit Beschluss vom 3. April 20...

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