Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für einen ausländischen Unionsbürger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 verletzt nicht das Recht der Europäischen Union.
2. Er verstößt nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV und widerspricht nicht Art. 14, 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG [juris: EGRL 38/2004], soweit Leistungen zum Lebensunterhalt begehrt werden.
3. Eine Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 folgt auch nicht aus einem Verstoß gegen die VO 883/2004 [juris: EGV 883/2004].
4. Die geltende Regelung ist auch nicht wegen des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) [juris: EuFürsAbk] unanwendbar. Der Ausschlusstatbestand wird insbesondere nicht durch Art. 1 EFA [juris: EuFürsAbk] verdrängt.
5. Auch ein Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt im Bereich der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist nicht gegeben.
6. Damit ist auch die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für einen ausländischen Unionsbürger ausgeschlossen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 8. Juli 2013 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander für beide Rechtszüge keine Kosten zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt K. aus Delmenhorst beigeordnet.
Gründe
Die am 11. Juli 2013 eingegangene Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg dem Begehren des Antragstellers stattgegeben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 11. Juni 2013 bis längstens zum 30. September 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren.
Der Senat nimmt hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts zur Vermeidung von Wiederholungen in Anwendung der Vorschrift des § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des SG Oldenburg in seinem angefochtenen Beschluss vom 8. Juli 2013 Bezug.
Die seitens des SG dargelegten Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II teilt der Senat allerdings nicht (vgl. bereits Senatsbeschlüsse vom 4. April 2013 - L 13 AS 73/13 B ER und vom 9. April 2013 - L 13 AS 63/13 B ER). Der italienische Antragsteller, der - soweit ersichtlich - im Jahr 2009 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und sich seitdem offenbar bis auf wenige Tage im Lande aufgehalten hat, hat einen Anordnungsanspruch nicht mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§§ 86 b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Einen Anordnungsanspruch hat der Antragsteller nur insoweit glaubhaft gemacht, als nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 - 4 SGB II Leistungen nach dem SGB II Personen nur dann erhalten, wenn das 15. Lebensjahr vollendet worden ist, Erwerbsfähigkeit vorliegt, Hilfebedürftigkeit gegeben ist und der gewöhnliche Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland besteht (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Zwar bestehen nach Aktenlage auch Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zumindest Einschränkungen hinsichtlich seiner Erwerbsfähigkeit unterliegt, jedoch geht der Senat nach bisheriger Kenntnis davon aus, dass alle Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 - 4 SGB II als glaubhaft gemacht angesehen werden können.
Einem Anordnungsanspruch nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II steht jedoch entgegen, dass der Antragsteller dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterliegt. Nach dieser Vorschrift sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen ausgenommen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller darf sich zwar als Unionsbürger nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass er darüberhinaus über ein anderes Aufenthaltsrecht verfügt. Insbesondere ist der Antragsteller nicht als Arbeitnehmer i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt; zwar hat er vorübergehend - vom 11. April bis 13. Juni 2011 - in Deutschland eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, jedoch ist er zur Zeit ohne Beschäftigung. Etwas anders folgt auch nicht aus § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU, wonach das Aufenthaltsrecht nach weniger als einem Jahr Beschäftigung während der Dauer von sechs Monaten unberührt bleibt, denn die Beschäftigung des Antragstellers lag bei Antragstellung bereits mehr als sechs Monate zurück. Weiterhin kann der Antragstell...