Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Lactoseintoleranz. ernährungsbedingter Mehrbedarf. Hilfebedürftigkeit. Regelleistung. Sozialgeld
Leitsatz (amtlich)
Leistungen für Mehrbedarfe wegen kostenaufwändiger Ernährung (hier: Lactoseintoleranz) setzen den Grundanspruch auf Arbeitslosengeld II und somit Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II voraus.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 5, § 9 Abs. 1, § 19 S. 1, § 21 Abs. 1, 3, 5, § 23 Abs. 3 S. 3, § 28 Abs. 1 S. 3; SGB XII § 19 Abs. 1 S. 1, § 30 Abs. 5; SGG § 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. April 2009 aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die am 17. September 1995 geborene Antragstellerin wohnt mit ihrem Bruder, ihrer Mutter und deren Lebenspartner zusammen. Sie bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Auf den Antrag der Mutter der Antragstellerin, Frau E., auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stellte der Antragsgegner mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. November 2008 fest, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) II habe, weil ihr Einkommen in Höhe von 466,00 € monatlich (bestehend aus Unterhalt: 312,00 € und Kindergeld: 154,00 €) den Bedarf von 355,65 € (Sozialgeld: 211,00 €, Mietanteil: 93,75 €, Nebenkostenanteil: 25,00 € und Heizkostenanteil: 25,50 €) um 110,75 € monatlich übersteige.
Am 17. September 2008 beantragte die Mutter der Antragstellerin für sie die Gewährung von Leistungen für Mehrbedarf in Form einer kostenaufwändigen Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II unter Vorlage eines ärztlichen Attestes des behandelnden Arztes F. vom 04. September 2008. Danach bestehe bei der Antragstellerin eine Laktose- und Fructoseintoleranz mit seit Jahren zunehmender Malabsorption und Asthma bronchiale mit emotionalen Störungen. Diesen Antrag lehnte der Antragsteller mit Bescheid vom 16. Oktober 2008 und Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2009 ab, weil die Ernährung mit lactosefreien Produkten nicht teuerer sei als die normale Ernährung. Darüber ist seit dem 10. Februar 2009 beim Sozialgericht (SG) Osnabrück ein Klageverfahren anhängig (Aktenzeichen: S 16 AS 91/09).
Am 09. April 2009 hat die Antragstellerin beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung den Antragsgegner zur Zahlung eines Mehrbedarfs von 50,00 € monatlich zu verpflichten. Das SG Osnabrück hat mit Beschluss vom 17. April 2009 die einstweilige Verfügung erlassen und den Antragsgegner zur Zahlung an die Antragstellerin ab 09. April 2009 bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren von 50,00 € monatlich als Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung verpflichtet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 06. Mai 2009.
Wegen des vollständigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet und führt zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Regelung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind nicht erfüllt, sodass der Eilantrag der Antragstellerin abzulehnen ist.
Eine vorläufige Regelung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt voraus, dass ein materiell-rechtlicher Anspruch auf eine bestimmte Leistung mit großer Wahrscheinlichkeit im späteren Hauptsacheverfahren bestätigt wird (Anordnungsanspruch) und ferner das eine besondere Eilbedürftigkeit für eine gerichtliche Regelung besteht, weil ansonsten in der geschützten Rechtsposition des Rechtsuchenden schwere Nachteile eintreten würden (Anordnungsgrund). Die Antragstellerin hat vorliegend bereits den Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Leistungen für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf stehen ihr nicht zu. Das Begehren der Antragstellerin scheitert bereits daran, dass sie nach bestandskräftiger Entscheidung des Antragsgegners keinen Anspruch auf Alg II (§ 19 Satz 1 SGB II) hat. Sie kann mit dem den individuellen Bedarf übersteigenden Einkommen in Höhe von 110,75 € monatlich den behaupteten Mehraufwand für medizinisch angezeigte Ernährung in Höhe von 50,00 € monatlich tragen und ist insoweit nicht hilfebedürftig.
Gemäß § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Wie aus dem Gesetzeswortlaut ersichtlich, können diese Leistungen nur "Hilfebedürftige" beanspruchen. Das bedeutet, dass die Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt nach § 21 Abs. 5 SGB II darstellt. Diese Einschränkung ergibt sich auch aus der Systematik und aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Rege...