Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Medikamentengabe und Anziehen von Kompressionstrümpfen. Leistungserbringung durch Einrichtung

 

Orientierungssatz

Lebt der Versicherte in einer Einrichtung für alleinstehende wohnungslose Männer in besonderen Schwierigkeiten, sind einfachste Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege, wie hier die Gabe von Medikamenten und das Anziehen von Kompressionsstrümpfen, von dieser Einrichtung zu erbringen, wenn nicht besondere gesundheitliche Einschränkungen des Versicherten vorliegen, die eine Leistungserbringung durch speziell geschultes Kranken- bzw Pflegepersonal erforderlich machen (vgl BSG vom 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R = BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13 und vom 22.4.2015 - B 3 KR 16/14 R = NZS 2015, 617).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.04.2023; Aktenzeichen B 3 KR 7/22 R)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28.06.2019 wird zurückgewiesen.

2. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die nachträgliche Genehmigung und Freistellung von Kosten für in Anspruch genommene Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Zeitraum vom 04.02.2016 bis zum 29.04.2016.

Der im Jahre 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Er leidet unter anderem an einer Leberzirrhose mit Ösophagusvarizen   und Varikosis   beidseits.

Im streitgegenständlichen Zeitraum von Februar 2016 bis April 2016 lebte der Kläger im Haus H. der Einrichtung I. e.V., einer auf diakonischer Grundlage geführten Einrichtung, die Leistungen für alleinstehende wohnungslose Männer in besonderen Schwierigkeiten erbringt. Bereits am 05.06.2015 schloss der Kläger mit dem I. e.V. einen „Vertrag über persönliche Hilfen und Wohnen“ (vgl. Blatt 19-23 der Verwaltungsakte der Beklagten). In den unter Ziffer 3 vereinbarten „Persönlichen Hilfen“ wird folgendes geregelt (vgl. Blatt 22 der Verwaltungsakte der Beklagten):

„3.1 Die persönliche Hilfe umfasst insbesondere die Beratung und Betreuung in folgenden Bereichen:

(…)

Gesundheitliche Versorgung: Vorbeugende Gesundheitshilfe; Hygieneberatung; Krankenbetreuung und Sicherstellung der medizinischen Versorgung durch ambulante Dienste im Einzelfall; Unterstützung bei der Suchtbehandlung; Hilfe bei Kontakten mit Ärzten, Krankenhäusern, Suchtkliniken, Kureinrichtungen, Sozialpsychiatrischen Diensten, Pflegeheimen u.Ä.“

Zwischen dem I. e.V. und der J. besteht eine Leistungsvereinbarung vom 28.12.2004 gemäß § 75 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Unter der Ziffer 3.3.1.1 (Beratung und persönliche Unterstützung) ist folgendes vereinbart (vgl. Blatt 25 der Gerichtsakte):

„Zur Beratung und Unterstützung gehören vor allem eine Stabilisierung der persönlichen Situation und das Angebot einer konstanten sozialen Beziehung sowie alle in Frage kommenden Hilfen zur Bewältigung des Alltags in der Einrichtung und zur Freizeitgestaltung sowie Übernahme von Unterstützungsleistungen wie Wäschepflege und Zimmerreinigung.

Zur Beratung und Unterstützung gehören ferner die Hilfen in Behördenangelegenheiten, Realisierung von finanziellen Ansprüchen, Hilfen bei der hygienischen und gesundheitlichen Grundversorgung, Hilfen beim Umgang mit Suchtproblemen und die Vermittlung weiterführender geeigneter Hilfen, z.B. Krisenintervention, Begleitung zu Ärzten, Veranlassung von Krankenhauseinweisungen.“

Schließlich ist unter Ziffer 5.1.2 (Personelle Ausstattung im Sozialdienst/Begleitenden Dienst) folgendes geregelt (vgl. Blatt 26 der Gerichtsakte):

„Die Beratung und Unterstützung erfolgt durch Mitarbeiter/innen mit einer sozialarbeiterischen/sozialpädagogischen Ausbildung (Dip. Sozialarbeiter/in oder Dipl. Sozialpädagoge/in) sowie Mitarbeiter/innen mit einer pflegerischen Ausbildung (Kranken-/Altenpfleger/in und Kranken-/Altenpflegehelfer/in). Der Einsatz von Fachpersonal, das über eine andere gleichwertige Ausbildung verfügt, bedarf der Zustimmung des Kostenträgers.“

Die den Kläger behandelnden Fachärzte für Innere Medizin Dres. K. verordneten am 04.02.2016 dem Kläger aufgrund der Diagnosen „allgemeine Vergesslichkeit, dekompensierte   äthyltoxische Leberzirrhose CHILD B-C unter fortgesetztem Alkoholabusus, Hyponatriämie , Hypokaliämie “ häusliche Krankenpflege in Form von Verabreichung von Medikamenten in der Häufigkeit von viermal täglich an sieben Tagen pro Woche für den Zeitraum vom 04.02.2016 bis 18.02.2016 „zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung“ (vgl. Blatt 1-2 der Verwaltungsakte der Beklagten). Eine weitere ärztliche Verordnung zur häuslichen Krankenpflege in Form der Medikamentenverabreichung erfolgte am 17.02.2016 für den Folgezeitraum vom 19.02.2016 bis 31.03.2016 (vgl. Blatt 5-6 der Verwaltungsakte der Beklagten). Für den Folgezeitraum vom 01.04.2016 bis 30.06.2016 verordnete der den Kläger (neu) behandelnde Facharzt für Innere Medizin Dr. L. am 21.03.2016 die Verabreichun...

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