Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. angemessenes Kraftfahrzeug
Orientierungssatz
1. Da für die Angemessenheit eines nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 2 als Schonvermögen privilegierten Kraftfahrzeuges nach § 12 Abs 3 S 2 SGB 2 die Lebensumstände während des Bezuges der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend sind, kann der Bewertungsmaßstab nicht eine starre Wertgrenze sein. Feste Obergrenzen darf der Leistungsträger daher nicht einführen.
2. Es ist besonders zu berücksichtigen, wenn der Arbeitsuchende den Mittelklassewagen bereits zu einer Zeit erworben hat, als er noch nicht im Leistungsbezug stand. Im Regelfall können Klein- und Mittelklassefahrzeuge als angemessen betrachtet werden. Dies gilt insbesondere, wenn zuvor noch keine staatlichen Fürsorgeleistungen in Anspruch genommen wurden. Eine strengere Beurteilung ist möglicherweise beim Erwerb von höherwertigen Fahrzeugen während einer vorangegangenen Arbeitslosigkeit mit Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB 3 geboten.
Gründe
Die gegen den Prozesskostenhilfe-Beschluss (PKH-Beschluss), mit dem das Sozialgericht (SG) Hannover die Bewilligung von PKH mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt hat, eingelegte Beschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Denn die Beschwerde gegen den Beschluss vom 6. Juli 2005 ging am 13. Juli 2005 beim SG ein.
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 73a Abs 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist einem Beteiligten PKH zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, nicht mutwillig erscheint und der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.
Die hinreichenden Erfolgsaussichten für die am 19. April 2005 beim SG Hannover erhobene Klage auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sind zu bejahen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II, welche die Beklagte im Wesentlichen darauf gestützt hat, dass der Kläger über einsetzbares Vermögen verfüge, welches seine Bedürftigkeit ausschließe. Neben “Sparbuchvermögen", welches den maßgeblichen Freibetrag für den Kläger von 7.750,00 € nicht erreicht, hat die Beklagte den Wert eines dem Kläger gehörenden Kfz berücksichtigt (Nissan Almera Baujahr 2002 mit einem geschätzten Wert von 8.500,00 € bzw vom Kläger im Widerspruchsverfahren korrigiert auf 6.800,00 €). Die Beklagte berücksichtigt als angemessenen Wert eines Kfz einen Betrag von 5.000,00 €. Unter Berücksichtigung des diesen Wert übersteigenden Betrages hat die Beklagte mangelnde Bedürftigkeit festgestellt (Antrag des Klägers vom 3. Februar 2005, negativer Bescheid vom 5. Februar 2005, Widerspruchsbescheid vom 7. April 2005). Ab dem 1. Mai 2005 sind dem Kläger Geldleistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 20. Mai 2005 - offenbar nach Vermögensverbrauch - bewilligt worden (monatlicher Zahlbetrag 794,85 €). Der Kläger hat vorgetragen, dass er das Auto während seiner Ausbildung (Referendariat zum Gymnasiallehrer) benötigt habe und es auch für zukünftige Jobs benötigen würde. Das Auto sei von seinen Eltern finanziert worden, es habe laut Schwackeliste einen aktuellen Wert von 6.800,00 €.
Bei diesem Sachstand ist die Bewilligung von PKH für das Klageverfahren geboten.
Streitgegenstand des Rechtsstreits ist allein die Frage, ob und inwieweit das Vermögen in Form des dem Kläger gehörenden Autos der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II bis zum 30. April 2005 entgegenstand. Denn für die Zeit ab 1. Mai 2005 erhält der Kläger das Arbeitslosengeld II (Alg II).
Einschlägige Vorschrift hinsichtlich der Berücksichtigung von Vermögen ist § 12 SGB II. Nach § 12 Abs 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen ein angemessenes Kfz für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Nach § 12 Abs 3 Satz 2 SGB II sind für die Angemessenheit die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend.
Die Beklagte hält entsprechend ihren Dienstanweisungen ein Kfz mit einem Wert von mehr als 5.000,00 € in jedem Fall für unangemessen. Diese Betrachtungsweise wird der gesetzlichen Regelung nicht gerecht.
Maßstab für die Angemessenheit des Kfz sind die Lebensverhältnisse des Betroffenen während des Bezugs staatlicher Fürsorgeleistungen, § 12 Abs 3 Satz 2 SGB II. Bereits von daher erscheint die Festlegung einer starren Obergrenze - wie dies die Beklagte tut - als verfehlt. Denn nach der gesetzgeberischen Vorstellung sollen offensichtlich die jeweiligen Lebensverhältnisse im Einzelfall bei der Ausfüllung des Begriffs Angemessenheit berücksicht...