Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Vertrag über hausarztzentrierte Versorgung. Beendigung des Schiedsverfahrens zur Inhaltsbestimmung durch Schiedsperson wegen fehlenden Voraussetzungen. Klageerhebung durch Vertragsparteien

 

Leitsatz (amtlich)

Hat die Schiedsperson ein Schiedsverfahren zur Inhaltsbestimmung eines Vertrags über die hausarztzentrierte Versorgung beendet, weil sie die Voraussetzungen einer entsprechenden Abschlusspflicht nicht für gegeben hält, können die Vertragsparteien hiergegen entsprechend § 73b Abs 4a S 5 SGB V Klage erheben. Ihnen steht aber kein Anspruch gegen die Aufsichtsbehörde auf Bestimmung einer neuen Schiedsperson zu.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 2. November 2018 geändert und der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes insgesamt abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen zu 2., die dieser selbst trägt.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

Streitig ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Nachdem Verhandlungen zwischen dem Antragsteller (Ast) und der Beigeladenen zu 1. über den Abschluss eines Vertrags zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV-Vertrag) gemäß § 73b Abs 1 und 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gescheitert waren, bestimmte die Antragsgegnerin (Agin) den Beigeladenen zu 2. als Schiedsperson iSv § 73b Abs 4a S 2 SGB V (bestandskräftiger Bestimmungsbescheid vom 6. August 2015). Jedoch konnte auch im Laufe des von dem Beigeladenen zu 2. geleiteten Schiedsverfahrens keine einvernehmliche Einigung über den Inhalt eines HzV-Vertrag erzielt werden.

Daraufhin beendete der Beigeladene zu 2. das Schiedsverfahren und führte zur Begründung aus, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Festlegung eines HzV-Vertrags nicht vorlägen. Zum einen seien die Krankenkassen nur bis zum 30. Juni 2009 zum Abschluss derartiger Verträge verpflichtet gewesen. Zum anderen verfüge der Ast nicht über die für einen Vertragsabschluss erforderliche „hinreichende soziale Mächtigkeit“ nach § 73b Abs 4 S 1 SGB V, weil ein Großteil der in G. an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte bereits verbindlich die Teilnahme an einem anderen HzV-Vertrag der Beigeladenen zu 1. zugesagt und sich in diesem Zusammenhang unter anderem verpflichtet habe, „nicht an weiteren Verträgen der beteiligten Krankenkassen zur hausarztzentrierten Versorgung“ teilzunehmen (Schreiben an den Ast und die Beigeladene zu 1. vom 23. März 2018).

Im Anschluss beantragte der Ast bei der Antragsgegnerin (Agin) unter Aufhebung des bestandskräftigen Bestimmungsbescheids die Ersetzung der Schiedsperson (Schreiben vom 15. Juni 2018). Die Agin lehnte es jedoch ab, eine neue Schiedsperson zu bestimmen; mit der Beendigung des Schiedsverfahrens komme das nicht mehr in Betracht (Bescheid vom 6. September 2018, bei dem Ast am 26. September 2018 eingegangen).

Gegen diese Entscheidung hat der Ast am 19. Oktober 2018 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben und zusätzlich beantragt, ihm vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Die Agin solle im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet werden, den bestandskräftigen Bestimmungsbescheid vom 6. August 2015 aufzuheben und die dort bestimmte Schiedsperson durch eine andere Schiedsperson zu ersetzen, hilfsweise, eine neue Schiedsperson zu bestimmen. Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens hat der Ast ausgeführt, dass bislang noch kein HzV-Vertrag festgelegt und daher das Schiedsverfahren durch das Schreiben vom 23. März 2018 nicht gesetzeskonform beendet worden sei. Dabei könne der gesetzlich festgelegte Anspruch des Ast auf den Abschluss eines HzV-Vertrags nach § 73b Abs 4 S 1 SGB V nur durch eine neue Schiedsperson umgesetzt werden.

Mit Beschluss vom 2. November 2018 hat das SG abgelehnt, die Agin zur Aufhebung des bestandskräftigen Bestimmungsbescheids vom 6. August 2015 und zur Ersetzung der dort bestimmten Schiedsperson zu verpflichten. In einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren könnten keine Bescheide aufgehoben werden; anderenfalls läge eine (bei dieser Verfahrensart regelmäßig unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache vor. Allerdings hat das SG dem Hilfsantrag des Ast stattgegeben und die Agin verpflichtet, „eine weitere Schiedsperson im Sinne des § 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V zu bestimmen.“ Der Anordnungsanspruch dafür ergebe sich aus den gesetzlichen Vorgaben in § 73b SGB V, wonach die Krankenkassen verpflichtet seien, zur flächendeckenden Sicherstellung einer hausarztzentrierten Versorgung einen entsprechenden Vertrag mit dem Ast zu schließen. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus dem Umstand, dass in G. der Abschluss eines HzV-Vertrags zwischen dem Ast und der Beigeladenen zu 1. seit mehr als neun Jahren überfällig sei.

Gegen den Beschluss (zugestellt am 6. November 2018) wendet sich die Agin mit ihrer Beschwerde vom 3. Dezember 2018. In der...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge