Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Beschwerde. einstweiliger Rechtsschutz. Zulassungsbedürftigkeit der Berufung in der Hauptsache. Beschwerdewert über 750 Euro. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Asylbewerberleistung. Inhaber einer Duldung. Analogleistung. rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer. Verweigerung der freiwilligen Ausreise. Anspruchseinschränkung. Verstreichenlassen eines Ausreisetermins
Leitsatz (amtlich)
1. Inhaber einer Duldung sind als Leistungsberechtigte nach § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des § 1a Abs 2 S 1 AsylbLG erfasst.
2. Bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes iS des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG ist, soweit es um die Bewilligung von laufenden lebensunterhaltssichernden Leistungen geht, jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich von einer Leistungsdauer von (maximal) zwölf Monaten auszugehen.
Orientierungssatz
Die Verweigerung einer freiwilligen Ausreise durch den Inhaber einer Duldung stellt keine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer iS des § 2 Abs 1 AsylbLG dar (vgl BSG vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R = BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2).
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 4. Oktober 2016 aufgehoben.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 1. Oktober 2016 bis zur Entscheidung über dessen Widerspruch vom 10. November 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. Oktober 2016 vorläufig Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in monatlicher Höhe von 494,00 € zu gewähren.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Rechtmäßigkeit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG.
Der 1983 geborene Antragsteller ist Volkszugehöriger der Roma, mazedonischer Staatsangehörigkeit, und hielt sich bereits im Kindes- und Jugendlichenalter in Deutschland auf. Nach Ablehnung seines damaligen Asylantrags reiste er in sein Heimatland aus. Seinen unmittelbar nach der erneuten Einreise in das Bundesgebiet im Dezember 2013 gestellten Asylfolgeantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch Bescheid vom 18. Januar 2016 als offensichtlich unbegründet (ebenfalls) ab. Ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren blieb insoweit ohne Erfolg. Wegen noch anhängiger Asyl- bzw. Asylfolgeverfahrens seiner Ehefrau und von zwei gemeinsamen minderjährigen Kinder, mit denen er in einer Wohnung lebt, für die monatlich eine Grundmiete von 350,00 € und Vorauszahlungen für Neben- und Heizkosten von 80,00 € bzw. 90,00 € anfallen, verfügt der Antragsteller derzeit über eine bis zum 17. Januar 2017 befristete Duldung.
Leistungen nach § 3 AsylbLG erhielt der Antragsteller vom Antragsgegner von Januar 2014 bis Mai 2015. Anschließend bezog er sog. Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG von Juni 2015 bis März 2016. Durch (bestandskräftige) Bescheide vom 21. März 2016 stellte der Antragsteller die Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG mit Ablauf des 31. März 2016 ein und bewilligte dem Antragsteller unter Hinweis auf seine vollziehbare Ausreisepflicht Leistungen nach § 1a Abs. 2 AsylbLG „ab dem 01.04.2016“ und wies die Leistungshöhe „für den Monat 4/2016“ mit 306,12 € aus (davon 130,00 € anteilige Unterkunfts- und Heizkosten). Durch weiteren Bescheid vom 30. Mai 2016 bewilligte er dem Antragsteller „für den Monat 5/2016“ wiederum Leistungen nach § 1a Abs. 2 AsylbLG in Höhe von 306,12 €. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 12. September 2016 als unbegründet zurück. Diese Entscheidung ist Gegenstand eines beim Sozialgericht (SG) Stade anhängigen Klageverfahrens (- S 33 AY 16/16 -).
Der Antragsteller hat mit Klageerhebung am 25. September 2016 zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und zur Begründung ausgeführt, ihm könne eine Weigerung der freiwilligen Ausreise aus Deutschland nicht vorgeworfen werden. Das SG hat den Eilantrag durch Beschluss vom 4. Oktober 2016 abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Besitz einer Duldung ändere an der bestehenden Ausreisepflicht des Antragstellers nichts. Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsgegner dem Antragsteller durch Bescheid vom 12. Oktober 2016 Leistungen nach § 1a Abs. 2 AsylbLG „für den Monat 10/2016“ in Höhe von 306,12 € gewährt. Das insoweit mit Widerspruch vom 10. November 2016 eingeleitete Vorverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Gegen den Eilbeschluss des SG richtet sich die vom Antragsteller am 2. November 2016 eingelegte Beschwerde. Er macht u.a. geltend, das SG habe die Voraussetzungen der maßgeblichen Tatbestände des § 1a AsylbLG verkannt. Insbesondere sei § 1a Abs....