Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. kein Leistungsausschluss für Auszubildende bei Ausbildungsgeldbezug eines behinderten Menschen während einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben

 

Leitsatz (amtlich)

Der Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 SGB 2 erfasst nicht Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen. Daran hat sich nach der Rechtslage ab 1.4.2011 nichts geändert.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 08. September 2011 wird bezüglich des abgelehnten Prozesskostenhilfegesuchs geändert.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt D., E. ohne Ratenzahlung für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt.

Kosten dieses Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich unter diesem Aktenzeichen gegen die Ablehnung Ihres Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). In dem zugrundeliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az: L 9 AS 992/11 B ER) begehrte die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Gestalt der Kosten für Unterkunft und Heizung.

Bei der am 11. September 1991 geborenen Antragstellerin wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "H", "RF", "GL" festgestellt. Die Antragstellerin bewohnt gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem 1994 geborenen Bruder F. seit 01. November 2008 eine Drei-Zimmer-Wohnung in G.. Die Grundmiete beträgt 370,00 €, der Betriebskostenvorschuss seit 01. April 2011 110,00 € (insgesamt: 480,00 €) monatlich und der Abschlag für die Gaslieferung der H. GmbH seit Januar 2011 monatlich 67,00 €. Die Agentur für Arbeit E. bewilligte mit Bescheid vom 31. März 2011 der Antragstellerin, ihrer Mutter und ihrem Bruder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelbedarfe inklusive Mehrbedarfe) für die Zeit vom 01. Mai bis 31. Oktober 2011. Der Landkreis E. bewilligte mit Bescheid vom 05. April 2011 Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate Mai bis Oktober 2011 für die Antragstellerin, deren Mutter und Bruder in Höhe von insgesamt 536,00 € monatlich. Auf die Antragstellerin entfiel ein Anteil von 178,67 €.

Vom 07. August 2010 bis 06. Juli 2011 nahm die Antragstellerin an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme im I.. J., teil. Seit dem 10. August 2011 absolviert sie eine Ausbildung beim Berufsbildungswerk in J. als Werkzeugmaschinenspannerin, eine Ausbildung nach §§ 66 BBiG/42m HWO. Sie ist dort unter der Woche in einem einrichtungseigenen Internat untergebracht. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte ihr hierfür Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 97 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) in Verbindung mit § 33 und §§ 44 ff. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), und zwar Ausbildungsgeld in Höhe von 104,00 € und Reisekosten für Familienheimfahrten.

Am 30. Juni 2011 erließ die Agentur für Arbeit in E. einen Änderungsbescheid. Da die Antragstellerin ab 10. August 2011 eine Berufsausbildung vom Berufsbildungswerk (BBW) in J. absolviere und Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erhalte, sei sie nach § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Die Entscheidung wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2011 bestätigt. Dagegen hat die Antragstellerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg - S 31 AS 928/11 - erhoben.

Mit Bescheid vom 04. Juli 2011 erließ auch der Landkreis E. einen Änderungsbescheid, mit dem der Antragstellerin Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat August 2011 nur noch teilweise (53,60 €) und für die Monate September und Oktober 2011 gar nicht mehr bewilligt wurden. Die Mutter und der Bruder der Antragstellerin erhielten weiterhin 178,66 € bzw. 178,67 € monatlich. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und führte aus, dass die Regelungen des § 7 Abs. 5 SGB II als Zugang zu existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II einschränkend auszulegen seien. Personen, die Ausbildungen im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben absolvieren, seien vom Leistungsausschluss nicht erfasst.

Am 10. August 2011 hat die Antragstellerin einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt mit dem Ziel, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihr ab dem 10. August 2011 Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 178,67 € zu gewähren. Weder sie noch ihre Mutter könnten die Mietanteile der Antragstellerin bezahlen, sodass sich ein Mietrückstand aufbaue. Sie sei nicht gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von den Leistungen des SGB II ausgeschlossen.

Über den spätestens im August 2011 an die Wohngeldstelle weitergeleiteten Antrag der Antragstellerin wurde im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens nicht entschieden.

Das SG Lüneburg hat den ...

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