Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ausschluss der Verwaltungs-Akteneinsicht. gerichtliche Überprüfung. keine analoge Anwendung des § 99 Abs 2 VwGO. Einschränkung der Akteneinsicht
Leitsatz (amtlich)
1. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist es nicht möglich, den Ausschluss der Einsicht in die Verwaltungsakten durch die übermittelnde Behörde - etwa über die analoge Anwendung von § 99 Abs 2 VwGO - gerichtlich zu überprüfen.
2. Zu den gesetzlichen Möglichkeiten, die Akteneinsicht beim Vorliegen berechtigter Interessen einzuschränken.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 6. November 2013 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin begehrt Akteneinsicht in die Unfallakten der Beklagten, die den beigeladenen Versicherten E. betreffen.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2012 erhob die Beklagte von der Klägerin aufgrund des Versicherungsfalls des Beigeladenen vom 5. Juli 2009 einen Beitragszuschlag für das Jahr 2011 iHv 9.473,94 Euro. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2012 zurück.
Die Klägerin hat am 12. Oktober 2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben und die Aufhebung der Bescheide sowie die Gewährung von Akteneinsicht - auch in die den Beigeladenen betreffenden Unfallakten - beantragt. Sie habe ein berechtigtes Interesse an einer umfassenden Akteneinsicht, da der angefochtene Beitragszuschlag maßgeblich auf den beim Beigeladenen verbliebenen Unfallfolgen beruhe. Es bestünden jedoch erhebliche Zweifel, dass die Aufwendungen in der gesamten Höhe durch den Arbeitsunfall verursacht worden seien.
Auf richterliche Verfügung hat die Beklagte dem SG die Verwaltungsakte vollständig - auch die neunbändige Unfallakte des Beigeladenen - vorgelegt, aber vorsorglich auf die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 1. Juli 2011 (L 8 U 3577/10 ) hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2012 hat die Beklagte auf Anfrage des SG dann erklärt, dass sie einer Akteneinsicht in die Unfallakten aus Gründen des Sozialdatenschutzes nicht zustimme. Der Beigeladene hat erklärt, dass er mit einer Akteneinsicht der Klägerin in seine Unfallakten nicht einverstanden sei (Schreiben vom 29. Oktober 2013).
Mit Beschluss vom 6. November 2013 hat das SG den mit Schriftsatz vom 20. September 2013 gestellten Antrag der Klägerin - festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin Akteneinsicht in die Verwaltungsakte betreffend den Beigeladenen zu gewähren - abgelehnt. Da das Gericht an den Ausschluss der Akteneinsicht der Beklagten nach § 120 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebunden sei, finde die Vorschrift des § 99 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) analoge Anwendung. Dementsprechend könne die Kammer durch Beschluss über die Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Akteneinsicht entscheiden. Der Antrag sei jedoch unbegründet. Nach Maßgabe des § 119 Abs 1 2. Alt SGG iVm § 35 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) habe die Beklagte die Akteneinsicht zu Recht ausgeschlossen, da die Unfallakte des Beigeladenen eine Fülle ihn betreffender Sozialdaten enthalte und es keine Befugnis zur Weitergabe dieser Daten an die Klägerin gebe.
Gegen den ihr am 7. November 2013 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 21. November 2013 Beschwerde beim LSG Niedersachsen-Bremen eingelegt und trägt vor, der Arbeitsunfall sei ihr als “Lapidarunfall„ gemeldet worden, bei dem der Beigeladene mit dem Fuß umgeknickt sei. Eine Überprüfung der Behandlungskosten, die zu dem Beitragszuschlag geführt hätten, könne nur durch Einsichtnahme in die Krankenakten erfolgen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 6. November 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Akteneinsicht in die Verwaltungsakte betreffend den Beigeladenen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, dass ein Geheimhaltungsinteresse des Beigeladenen bestehe, denn ärztliche Unterlagen über den Gesundheitszustand und die körperliche Verfassung unterlägen dem Schutz der Persönlichkeit.
II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich nur insoweit als begründet, als der angefochtene Beschluss vom 6. November 2013 ersatzlos aufzuheben war. Die von der Klägerin begehrte Entscheidung in der Sache konnte dagegen nicht erfolgen; insoweit war ihre Beschwerde zurückzuweisen.
1. Die Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich aus § 172 Abs 1 SGG. Sie richtet sich gegen einen Beschluss, mit dem das SG eine eigenständige, auf entsprechende Anwendung des § 99 Abs 2 VwGO gestützte Entscheidung darüber getroffen hat, ob der durch die Beklagte erklärte Ausschluss der Einsicht in einen Teil ihrer Verwaltungsakten rechtmäßig ist. Hierbei handelt es sich weder um eine prozessleitende Verfügung noch um eine sonstige in § 172 Abs 2 oder 3 SGG angeführte Entscheidung. Die Bes...