Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung des Arbeitslosengeld II. Unzulässigkeit einer Minderung in Höhe von 60 % durch zwei Sanktionsbescheide für denselben Leistungszeitraum in Höhe von jeweils 30 %. Anforderungen an die Wirksamkeit des Angebots einer Eingliederungsmaßnahme und der Rechtsfolgenbelehrung. Umsetzung der Minderung durch einen Aufhebungsbescheid. Fehlender Nachweis von Eigenbemühungen. Eingliederungsvereinbarung. Gegenleistung des Jobcenters. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Minderung von Arbeitslosengeld II in Höhe von 60 Prozent durch zwei Sanktionsbescheide in Höhe von jeweils 30 Prozent für denselben Leistungszeitraum ist im SGB 2 nicht vorgesehen.

2. Ein Angebot zu einer Eingliederungsmaßnahme ist nur dann formell wirksam, wenn der Leistungsträger zusichert, dass sämtliche damit verbundenen Aufwendungen übernommen werden.

3. Eine Rechtsfolgenbelehrung muss den individuellen Hinweis enthalten, dass die zeitnah vorgebrachten Umstände für eine (erfolgreiche) Ablehnung derselben Trainingsmaßnahme nunmehr für das zweite Angebot nicht mehr als wichtige Gründe im Sinne des § 31 SGB 2 anerkannt werden.

 

Orientierungssatz

Ein Sanktionsbescheid enthält lediglich eine Regelung zur kalendermäßigen Festlegung des Sanktionszeitraums, so dass die damit zusammenhängende Minderung des Arbeitslosengeldes II im laufenden Bewilligungszeitraum verfahrensrechtlich durch eine ausdrückliche Aufhebungsverfügung nach § 48 SGB 10 umzusetzen ist (vgl BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 3).

 

Normenkette

SGB II § 31a Abs. 1; SGB X §§ 43, 48; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 172 Abs. 3 Nr. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 13. Februar 2013 (Ablehnung einstweiligen Rechtsschutzes) aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 14. Januar 2013 gegen die zwei Sanktionsbescheide des Antragsgegners vom 4. Januar 2013 wird angeordnet.

Der Antragsgegner erstattet die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Minderung von Arbeitslosengeld II infolge von zwei Sanktionsbescheiden für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. April 2013 in Höhe von 229,20 € monatlich.

Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller zuletzt mit Bescheid vom 11. Dezember 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2013 in Höhe von 611,09 € monatlich (197,09 € Regelbedarf und 414,00 € Unterkunftskosten). Bereits unter dem 25. September 2012 verpflichtete der Antragsgegner durch einen die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ersetzenden Verwaltungsakt (Geltungsdauer 25.9.2012 - 24.3.2013) den Antragsteller zur Teilnahme in Vollzeit am Aktivierungscenter beim Träger FAA in Hannover ab 2. Oktober 2012 für die Dauer von zwölf Wochen sowie beginnend mit dem 10. Oktober 2012 mindestens fünf Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen pro Monat bis zum 10. eines jeden Monats nachzuweisen. Als Gegenleistung verpflichtete sich der Antragsgegner zur Übernahme der angemessenen Kosten für die Teilnahme am Aktivierungscenter und wies u. a. daraufhin, dass Bewerbungskosten bis zu einem Betrag von 260,00 € jährlich übernommen werden könnten. Bewerbungsaktivitäten für Oktober 2012 wurden vom Antragsteller nicht nachgewiesen. Die Teilnahme am Aktivierungscenter lehnte der Antragsteller unter Vorlage eines Attestes des behandelnden Orthopäden Dr. D. vom 4. Dezember 2012 ab, weil er in der beruflichen Tätigkeit mit Zwangshaltung und längerem Sitzen nicht einsatzfähig sei. Mit dem zweiten eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ersetzenden Verwaltungsakt vom 13. November 2012 (Geltungsdauer 13. November 2012 - 12. Mai 2013) wiederholte der Antragsgegner den Inhalt der ersten Eingliederungsvereinbarung vom 25. September 2012 mit der Maßgabe, dass der Antragsteller nunmehr ab 21. November 2012 zur Teilnahme in Vollzeit an der zwölfwöchigen Maßnahme im Aktivierungscenter verpflichtet wurde und der Antragsgegner die Förderung dieser Maßnahme vom 21. November bis zum 31. Dezember 2012 zusagte.

Der Antragsgegner stellte mit Bescheid vom 4. Januar 2013 für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 30. April 2013 eine Minderung von Arbeitslosengeld II um 30 % des maßgebenden Regelbedarfes in Höhe von 114,60 € monatlich fest, weil der Antragsteller entgegen der Verpflichtung in dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 25. September 2012 am 10. November 2012 keine Nachweise über mindestens fünf Bewerbungsbemühungen pro Monat vorgelegt habe. Mit einem weiteren Bescheid vom 4. Januar 2013 stellte der Antragsgegner ferner für denselben Leistungszeitraum vom 1. Februar bis zum 30. April 201...

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