Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Sanktionsbescheid wegen weiterer wiederholter Pflichtverletzung. Anforderungen an die vorherige Rechtsfolgenbelehrung hier im Eingliederungsverwaltungsakt. Bezeichnung des vorangegangenen Sanktionstatbestandes. Warnfunktion. Existenzminimum. Anordnung der aufschiebenden Wirkung
Leitsatz (amtlich)
Eine Rechtsmittelbelehrung als Voraussetzung für eine 100% Sanktion nach einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung (§ 31a Abs 1 S 3 SGB II) ist nur dann konkret, vollständig und einzelfallbezogen, wenn darin die maßgeblichen Vorsanktionen nach Satz 1 und 2 genau bezeichnet werden.
Normenkette
SGB II § 31a Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 6, § 39 Nr. 1; SGB X §§ 44, 48; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 22. April 2016 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 23. März 2016 gegen den Bescheid vom 8. März 2016 angeordnet.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin deren notwendige außergerichtliche Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt D., E., ohne Anordnung von Ratenzahlung.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über den vollständigen Wegfall des Anspruchs auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum April bis Juni 2016 infolge einer wiederholten Pflichtverletzung.
Die 1987 geborene Antragstellerin bezieht seit 2014 Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner.
Im November und Dezember 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin in mehreren Schreiben zur Wahrnehmung eines Termins zur Vereinbarung einer Eingliederungsvereinbarung auf und setzte nach von der Antragstellerin nicht wahrgenommenen Terminvorgaben mit Bescheid vom 12. Januar 2015 eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt fest für den Zeitraum vom 15. Januar bis zum 14. Juli 2015 mit der Verpflichtung zum monatlichen Nachweis von 10 Bewerbungen auf Helferstellen durch schriftliche Unterlagenübersendung oder durch E-Mail. Als Nachweis sei eine Bewerbungsliste jeweils bis zum 15. des Monats einzureichen, beginnend ab dem 15. Februar 2015. Bewerbungskosten würden für maximal 15 Bewerbungen je Monat erstattet in Höhe von jeweils EUR 3,00 für schriftliche Bewerbungen und in Höhe von jeweils EUR 1,00 für Onlinebewerbungen. Unter der Überschrift “Rechtsfolgenbelehrung„ wurde darauf hingewiesen, dass bei einer Verletzung der in der Eingliederungsvereinbarung genannten Pflichten nach § 31a Abs. 1 SGB II eine dreimonatige Absenkung des Regelbedarfs in Höhe von 30% erfolge, sowie bei einer erneuten Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres eine dreimonatige Absenkung in Höhe von 60%. Folge diesen Pflichtverletzungen innerhalb eines Jahres eine weitere Pflichtverletzung, entfalle das Arbeitslosengeld II vollständig.
In der Folgezeit senkte der Antragsgegner unter Verweis auf § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II mit Bescheid vom 6. März 2015 die Leistungen nach dem SGB II um 30% des monatlichen Regelbedarfs für die Monate April bis Juni 2015 ab mit der Begründung entgegen der Eingliederungsvereinbarung nicht nachgewiesener Bewerbungen für den Zeitraum bis zum 15. Februar 2015.
Mit weiterem Bescheid vom 7. Mai 2015 senkte der Antragsgegner nachfolgend unter Verweis auf § 31a Abs. 1 Satz 2 SGB II die Leistungen nach dem SGB II um 60% des monatlichen Regelbedarfs für die Monate Juni bis August 2015 ab mit der Begründung entgegen der Eingliederungsvereinbarung nicht nachgewiesener Bewerbungen für den weiteren Zeitraum bis zum 15. April 2015 und eine darin liegende wiederholte Pflichtverletzung.
Gegen beide Absenkungsbescheide erhob die Antragstellerin keinen Widerspruch, weshalb diese bestandskräftig wurden.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2015 übersandte der Antragsgegner der Antragstellerin ein Stellenangebot mit der Aufforderung einer umgehenden Bewerbung. Unter der Überschrift “Rechtsfolgenbelehrung„ wurde darauf hingewiesen, dass bei einer ohne wichtigen Grund nicht erfolgenden Bewerbung eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II vorliege. Da innerhalb eines Jahres bereits zwei Sanktionen aufgrund von Pflichtverletzungen nach § 31 SGB II iVm § 31a Abs. 1 SGB II erfolgt seien, entfalle bei einer erneuten Pflichtverletzung das Arbeitslosengeld II vollständig.
Mit nachfolgendem Schreiben vom 16. Juni 2015 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin an zu einer ab dem 1. August 2015 beabsichtigten vollständigen Leistungseinstellung für die Dauer von drei Monaten. Aufgrund einer ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II sei das Arbeitslosengeld II mit Bescheid vom 7. Mai 2015 ab Juni 2015 um 60% gemindert worden. Nunmehr sei erneut eine Pflicht nach § 31 Abs. 1 SGB II verletzt worden.
Mit weiterem Schreiben vom 18. Juni 2015 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, am 25. Juni 2015 zur Festlegung einer Eingliederungsvereinbarung zu ersch...