Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Asylbewerberleistung. Grundleistungen gem § 3 AsylbLG. kein Anspruch auf höhere Leistungen. Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers. kein Anspruch nach § 6 AsylbLG. keine Vorlage zum BVerfG
Leitsatz (amtlich)
1. Den Gerichten ist es wegen ihrer Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) verwehrt, Anspruchsberechtigten nach § 3 AsylbLG höhere Leistungen als im Gesetz vorgesehen zuzusprechen.
2. Der in § 3 Abs 3 AsylbLG enthaltene Gestaltungsspielraum zur Neufestsetzung der Leistungen beinhaltet keinen Beurteilungsspielraum der Gerichte hinsichtlich der Höhe der Leistungen. Es handelt sich um einen Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Neufestsetzung der Leistungen erfüllt sind.
3. § 6 AsylbLG (sonstige Leistungen) dient keiner generellen Ausweitung der beschränkten Leistungen nach § 3 AsylbLG, sondern soll im Einzelfall bestehende Sonderbedarfe abdecken.
Orientierungssatz
Eine Vorlage an das BVerfG zur Normenkontrolle nach Art 100 Abs 1 GG kommt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht (vgl LSG Essen vom 23.9.2010 - L 20 AY 69/10 B ER).
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 30. September 2011 wird, auch soweit sie sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH richtet, zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die Antragstellerinnen und Beschwerdeführerinnen (im Folgenden: Antragstellerinnen) begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zusätzlich zu den ihnen gewährten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG die Hälfte der Differenz zwischen den Leistungen gemäß § 3 AsylbLG und gemäß § 2 AsylbLG als Darlehen.
Die 1975 in Kamerun geborene Antragstellerin zu 1) hatte bei ihrer Einreise im August 2007 den Namen D. und das Geburtsjahr 1979 angegeben. Die Antragstellerin zu 2) ist 2008 in Oldenburg geboren, der deutsche Staatsangehörige E. hat die Vaterschaft anerkannt. Mit notarieller Urkunde vom 16. März 2011 haben die Eltern eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben. Die Antragstellerinnen sind im Besitz einer zunächst bis 30. Juni 2011 befristeten Duldung, welche zwischenzeitlich bis 30. November 2011 verlängert wurde.
Die Antragstellerinnen beziehen von der Antragsgegnerin Leistungen nach § 3 AsylbLG. Mit Bescheid vom 24. Juni 2011 bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen nach § 3 AsylbLG "ab dem 21. Juni 2011 bis zur Befristung der Duldung". Am 8. Juli 2011 beantragten die Antragstellerinnen die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bzw. dem SGB XII unter Hinweis auf ein unmittelbar aus Art 20 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) abgeleitetes Aufenthaltsrecht, begehrten hilfsweise die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG und weiter hilfsweise an die Teuerung angepasste, auf ein menschenwürdiges Niveau angepasste Leistungen nach § 3 AsylbLG. Zugleich erhoben sie Widerspruch gegen alle noch anfechtbaren Leistungsbescheide nach dem AsylbLG, insbesondere den Bescheid vom 24. Juni 2011. Weder über die Leistungsanträge nach dem SGB II bzw. dem SGB XII noch über den Widerspruch ist bislang eine Entscheidung ergangen. Gegen einen bereits zuvor gestellten Antrag der Antragstellerin zu 1) auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG ist ein Klageverfahren vor dem SG Oldenburg unter dem Aktenzeichen S 25 AY 13/11 anhängig.
Am 30. August 2011 haben die Antragstellerinnen bei dem SG Oldenburg begehrt, ihnen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes “ab sofort bis mindestens zum 31. März 2012„ zusätzlich zu den gewährten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG die Hälfte der Differenz zwischen den Leistungen gemäß § 3 AsylbLG und gemäß § 2 AsylbLG als Darlehen zu gewähren. Sie beziehen sich auf einen Beschluss des SG Mannheim vom 10. August 2011 (S 9 AY 2678/11 ER). Das SG Oldenburg hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den zugleich gestellten Antrag auf Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 30. September 2011 abgelehnt und zur Begründung auf einen Beschluss des BVerfG vom 30. Oktober 2010 (1 BvR 2037/10) verwiesen.
Hiergegen wenden sich die Antragstellerinnen mit ihrer am 14. Oktober 2011 eingelegten Beschwerde. Sie sind der Ansicht, die Grundleistungsbeträge nach § 3 AsylbLG seien zu niedrig bemessen, um ein menschenwürdiges Existenzminimum sicherzustellen. Da es sich um existenzsichernde Leistungen handele, sei es den Antragstellerinnen nicht zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Eine vorläufige Bewilligung höherer Leistungen widerspreche auch nicht dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Denn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sei seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 3 Abs. 3 AsylbLG zur jährlichen Anpassung der Leistungssätze nach § 3 Abs. 2 AsylbLG unter Berücksichtig...